Der weit über die Grenzen des Stadtgebietes Balve hinaus bekannte kleine schwarze Affe in der Sommerfrische Klingelnborn ist verendet. Er war während seiner fünftägigen Krankheit ein geduldiger Patient, kein Klagelaut kam über seine Schnauze. Geboren war er in dem subtropischen Klima Südamerikas. Dort hat er seine ersten Kindertage auf dem Rücken seiner Mutter zugebracht, wie es in allen Affenfamilien Sitte ist. Die Affenbabys werden sehr sorgsam erzogen. Mit der sprichwörtlich gewordenen Affenliebe ist stets unbedingtes Gehorchen verbunden. Ist ein Affenbaby unartig, flugs hat die Mutter einen Stock abgebrochen, reißt das Baby von der Schulter, und verprügelt es. Ist das Baby etwa vier Monate alt, fängt es an selbstständig zu werden, es hüpft hinter der Mutter her, von Ast zu Ast. Ist es müde, oder droht Gefahr, setzt es sich wieder auf der Mutter Schulter. Gefahr droht wohl weniger dem Jungen, als der Mutter. Affenfleisch gilt in jener Gegend als Leckerbissen. Eines Tages kam so ein Affenjäger und schoss die Mutter vom Baum. Das Baby hielt sich auf ihrem Rücken fest, und fiel mit zur Erde. Da hat es der Jäger mit genommen, hat ihm einen Gurt um den Hinterleib gelegt, daran eine dünne Kette, die in einem Apfelsinenbaum befestigt wurde. Mit Milch, Palmitöl und Bananen gefüttert verlor es sein anfängliches Heimweh und wurde zutraulich. Anfassen ließ es sich aber nicht. In diesem Stadium wurde es nach Deutschland verkauft. Mit einer großen Fracht(?) anderer Tiere trat es die Reise über das große Wasser an. Auf dem Schiff hat es ein Schlaraffenleben geführt. Die Passagiere brachten ihm alle möglichen Esswaren. Das Baby nahm alles an. Zwiebeln aß es sehr gerne, wenn ihm auch die Tränen dabei in die Augen kamen.
(p.14) Schokolade und Bonbons verschmähte es nicht. Tag für Tag hatte es Zuschauer um sich stehen, alle Wohltaten belohnte es mit seinen possierlichen Gesten. Es wurde so zahm, dass es sich von den Damen auf den Arm nehmen ließ, aber damit begnügte sich das Baby nicht, ein Affe will nun einmal laufen. Ehe sich die Dame versah, saß es auf ihrem Bubikopf, und suchte nach Ungeziefer.
(p.15) Lachsalven der Umstehenden lohnte solches Unternehmen. Das Baby, das bei der Äquatortaufe den Namen »Miko« erhielt, ließ nicht eher locker, bis es den ganzen Kopf gründlich untersucht und sich von der Ergebnislosigkeit seiner Jagd überzeugt hatte. Die durchschnittliche Zahl der täglich zerzausten Bubiköpfe betrug etwa 14. Der Friseur machte gute Geschäfte. Trotz alledem wann Miko der Liebling aller.
Über zwei Jahre hat Miko in seiner neuen Heimat gelebt. Anfangs wurde er auch hier an einer Kette gehalten, später in einem großen Käfig. Hier genoss er eine gewisse Freiheit, die lästige Kette brauchte er nicht mehr schleppen. Aber diese Freiheit genügte ihm nicht, er wollte ganz frei sein. Miko hatte scharfe Zähne, zernagte Bretter und Draht, und gewann die unbegrenzte Freiheit. Er ging aber nicht auf und davon. Er hatte sich an Menschen und Brot gewöhnt. In den umstehenden Bäumen trieb er sein Spiel. Miko war sehr neugierig, kein Winkel im Hause blieb ihm unbekannt, er machte Türen und Fenster auf, turnte am Telefondraht ins obere Stockwerk, und hielt Umschau unter der Garderobe der dort einlogierten Sommerfrischler, legte sich auch mal in ihr Bett schlafen. Brillen und blitzende Gegenstände stibitzte er. Fand er irgendwelche Genussmittel, nahm er sich eine Probe. Wählerisch war er in dieser Beziehung nicht. Fand er Patronen, gleichviel welchen Kalibers, rieb er dieselben kaputt, warf Kugeln und Schrott weg, das Pulver aber fraß er mit schmunzelndem Behagen. Wie viele Eier er den Hennen aus den Nester geholt hat, mag unser Herrgott wissen. Hatte er ein Pfund Molkereibutter erwischt, war er mit kühnen Sprung auf dem Hausdach, setzte sich auf den First und legte die Butter auf den heißen Dachziegel, wo sie in wenigen Minuten schmolz, und nach beiden Seiten floss. Er aber leckte das in seinen Pfoten verbliebene Papier bedächtig ab.
(p.16) in der Frühe wurde er manchmal lästig, kein Topf war vor ihm sicher. Bei Tisch konnte er sich artig benehmen, er setzte sich auf die Bank, legte seine Vorderpfoten auf die Tischplatte, und wartete, bis er sein Teil bekam. Aber nicht immer war er so artig, manchmal seine Affennatur mit ihm durch. Ein Stück Wurst ergreifen, Sprung durchs Fenster war das Werk eines Augenblicks. Süßigkeiten nahm er, wo er sie erwischen konnte, Reste von Limonade und Zitronen trank er auf, mitunter gönnte er sich ein halbes Glas Bier, oder einen Schnaps. Korken von Flaschen ziehen, Schubladen öffnen bei ihm eine Kleinigkeit.
Miko war eitel. In einen Spiegel gucken tat er gern, sein eigenes Bild sehen, gab ihm die Gewissheit, dass er ein hübscher Kerl sei. Manchmal machte er Jagd auf seine kleinen Kollegen, die Eichhörnchen, diese aber waren flinker wie er. Mit Hunden lebte er in Freundschaft, nur die Katze war sein Feind. Miko sah alles, er hatte ein wunderbares Gedächtnis, Autos kamen und gingen, aber ein Auto hatte schon vier Tage in der offenen Garage gestanden. Miko dachte, das werde ich mal herausfahren, öffnete eine Tür, setzte sich ans Steuer und hupte. Das Auto aber ging nicht. Da dachte Miko »ankurbeln«. Gedacht, getan. Eine Kurbel aber fand er nicht. Da steckte er seinen Schwanz in das Kurbelloch, und zirkelte sich.
Auch an Medizinflaschen machte er sich, ganz egal ob es ein Todestrunk(?) war oder nicht, mit einer ruckweisen Schnelligkeit heran, die einem Chauffeur Ehre gemacht hätte. Mit kühnem Sprung saß er wieder am Steuerrad, stemmte sich mit Vorder-und Hinterbeinen in die Speichen, aber das Auto ging nicht. Dann drückte er auf die Hupe, so kräftig und anhaltend, dass der heulende Ton ihn fast selbst erschreckt hätte. Durch das Hupen war der Herr des Autos erwacht, und jagte Miko fort.
(p.17) Mit Wutgeheul stürzte sich Miko auf die Hupe, bis sie kaput war, und verschwand mit einem Stück Gummi in den Pfoten im hohen Walnussbaum. Kein Wespennest(?) war vor ihm sicher, vom höchsten schwankenden Zweig holte er die Pflaumen. Um in der Nacht vor seinen Streichen sicher zu sein, wurde er am Abend in eine neben dem Herd stehende Holzkiste gesperrt.
Nun ist Miko tot. Was ihm im Leben nicht geglückt ist, glückte ihm im Tode: Er konnte Auto fahren. Herr Schulte, Wagenlackiererei aus Neheim, hat seinen Kadaver im Auto mitgenommen, um ihn ausstopfen zu lassen.
Onkel … muss nun wieder nach … – einen neuen Miko holen.