Das Sauerland in plattdeutschen Liedern
Theodor Pröpper: Die Balver Höhlenspiele. In: Balve. Buch vom Werden und Sein der Stadt, p 401-404. Unveränderter Nachdruck des 1930 erschienenen Buches. 2. Auflage 1993. Zimmermann-Druck Balve.
Der nachfolgende Text des Balver Komponisten, Organisten und „Spielmann Gottes“, Theodor Pröpper, stammt aus dem „Balver Buch“ von 1930. Zentrales Thema: Die Begründung der Höhlenspiele als „Laienspiele“.
Der Sprachduktus ist expressiv und pathetisch, der Text in seiner Art sicher einzigartig. Lesenswert sein Appell an die Stadt Balve, die Höhlenspiele zu „ihrer Angelegenheit“ zu machen, um dem Projekt Zukunft zu geben.
Die erste Aufführung in der Balver Höhle fand in der Blütephase der Jugendbewegung im Jahr 1922 statt, mit der Aufführung des „Redentiner Osterspiels“ (Bearbeitung: Franz Hoffmeister). Das Laienspiel wurde am Tag der Gründung des Sauerländer Heimatbundes in Balve dargeboten, und „hinterließ einen tiefen Eindruck“.
Es folgten bis 1927 Aufführungen des Spiels von „Dreizehnlinden“, die „würzigen Erdduft atmeten“, sowie verschiedene Mysterienspiele. Schließlich 1928 die Darstellung von Johann Weinrichs „Der Tänzer unserer lieben Frau“ unter Anwesenheit des Dichters, sowie die Aufführung eines Spieles „Jung-Siegfried“.
Der Text in Auszügen:
… Seit mehreren Generationen ist die Balver Höhle in den Vorstellungen der Menschen des Hönnetales mit dem Gedanken an das Festliche, Fröhliche verknüpft, weil der alte Felsenraum zum Schauplatz der Balver Volksfeste erwählt wurde. Zu all den bisherigen Bedeutungen der Höhle hat sich nun in den letzten Jahren noch eine weitere gesellt: Die Balver Höhle als Naturbühne für das Laienspiel. Mit seinen Höhlenspielen ist Balve in die Reihe jener Ortschaften und Städte gestellt, die sich in besonderer Weise um die Pflege des Laienspieles mühen und dadurch ihren Namen in weitere Volkskreise getragen haben.
…Die Balver Höhlenspiele haben ihren Urgrund im Erlebnis der Heimat. Im Jahre 1922 geschah es zum ersten Mal, dass anlässlich der ersten Tagung des jungen Sauerländer Heimatbundes die Balver Höhle mit der Aufführung des Redentiner Osterspieles dem Laienspiel dienstbar gemacht wurde…
Das Laienspiel will nicht als Parallele zu der leider in unserer Zeit vielfach mit vollem Recht so stark in Misskredit geratenen Berufsbühne gesehen werden, weil die Gesetzmäßigkeiten in beiden Fällen ganz verschieden gelagert sind. Gleichfalls verfehlt ist es auch, das Laienspiel in Parallele zum üblichen Vereinstheater zu stellen. Das Vereinstheater beschränkt sich in seiner Auswirkung gewöhnlich auf bestimmte Gesellschaftsschichten und Berufsgruppen. Es haftet nun einmal vielen Vereinen als Nachteil an, dass in ihnen bewusst oder unbewusst Absonderungstendenzen wirksam sind. Abgesehen davon ermangelt das landläufige Vereinstheater auch oft der demütig ernsten Hingabe, die das Laienspiel erfordert, und nicht selten auf eine gar niedrige Stufe billiger Unterhaltung herab, ohne tiefere Eindrücke zu vermitteln.Das Laienspiel reißt unberechtigte Schranken nieder, die durch Besitz und Stand aufgetürmt sind. Wie sich die Spielschar aus den verschiedenen Ständen und Berufen zusammensetzt, so wendet sich auch das Spiel selbst nicht nur an bestimmte Gruppen, sondern an alle Bewohner der Stadt, des Ortes, eines ganzen Landschaftsgebietes. Die Aufführung des Spieles wird für alle Beteiligten eine festliche Angelegenheit, zu der man schreitet wie zu einer gemeinsamen Feierstunde…
Aus der ganzen Eigenart des Laienspiels entspringen auch die Forderungen für die Darstellung.Technische Höchstleistung des Einzelnen, Name, Kranz und Applaus bedeuten hier nichts, die willige Ein- und Unterordnung und die seelische in Gabe des Einzelnen an das Ganze dagegen alles. Aus der gemeinsamen Ergriffenheit durch eine alles beherrschende Idee muss das Laienspiel Formung und Gestaltung finden.
Die Besonderheit der Balver Höhlenspiele beruht in der Einzigartigkeit der räumlichen Verhältnisse. Die Frage des Raumes ist für das Laienspiel von größter Bedeutung. In dieser Beziehung geht es eigene Wege. Nicht die übliche Theaterbühne liebt es, die in der ganzen Anlage schon die Trennung zwischen Spielraum und Zuschauerraum stark betont, die auf Schein und Täuschung berechnet ist und dem Spieler ein Publikum als etwas Fremdes, außer ihm Liegendes gegenüberstellt. Vielmehr sucht das Laienspiel gerade diese Trennung aufzuheben, die Zuschauer mit in das Spiel einzubeziehen und durch die Einheit des Raumes unterstützt, um so stärker eine Einheit der Gemeinde, die aus Spielern und Zuschauern besteht, zu erleben. Das Laienspiel verspürt eben noch etwas von seinem Ursprung, von den Zusammenhängen zwischen ihm und der Liturgie, von der Zeit, da Kanzel und Bühne nahe beisammen lagen.
Die Raumfrage ist in der Balver Höhle für das Laienspiel in geradezu vorbildlicher Weise gelöst. Ein mächtiges, tonnenartiges Gewölbe, ein gewaltiger fast 100 Meter langer Felsendom bildet eine Raumeinheit von solcher Geschlossenheit, wie sie in der Natur für szenische Darstellungen kaum idealer gedacht werden kann. Die Höhle vermittelt ein Raumerlebnis von stärkster Wirkung. Dieser Raum, erfüllt vom Spiel der Menschen, verschmilzt mit der körperlichen Geste, mit dem Klang der Worte, drängt und ballt die Gedankenwelt von Spielerschar und Zuschauern auf die eine, alles beherrschende Idee des Spieles zusammen und hilft so mit die Gemeinschaft tragen, aus der heraus das Spiel Gestalt und Leben wird. Die Natur hat das Innere der weiten Halle mit einer prächtigen Farbensymphonie geschmückt, vom sanften Grün zarter Moosschichten bis zum kraftvollen Rot der Gesteinsmassen. Die Höhle selbst bietet Raum für etwa 1000 Besucher. Die Spielfläche ist circa 600 Quadratmeter groß und erstreckt sich zu einer Tiefe bis zu 40 Meter. Durch eine mustergültige Beleuchtungsanlage werden Lichtwirkungen von seltener Pracht erzielt. Es ist eine gewisse Herbheit der Stimmung, die den Höhlenraum beherrscht. Der Raum zwingt zur Konzentration, zur Schau auf das Wesenhafte, erleichtert das Hinübergreifen ins Transzendente. …
Die Zukunft der Balver Höhlenspiele, die in dem Zusammenklang der Naturwunder und der volkstümlichen Kunst des Spieles in der Tat eine Einmaligkeit bedeuten, wird davon abhängig sein, ob und wie weit die Allgemeinheit der Bewohner von Balve künftighin die Spiele als “ihre Angelegenheit” betrachtet. Bislang war die Balver Heimwacht Trägerin der Höhlenspiele. Aber die Stadt Balve wird sich in ihren berufenen Vertretern mit der Frage beschäftigen müssen, ob sie gewillt ist, mitzuhelfen, die Höhlenspiele für die Zukunft im Leben der Balver fest zu verankern.
Unser Kulturwollen kreist um die Pole: Gott, Heimat, Vaterland. Auch die Balver Höhlenspiele liegen auf dem Wege zu diesen Quellen der Kraft und neuen Lebensgestaltung. Sie wollen im beglückenden Erlebnis der Gemeinschaft Freude bringen an unserem Volkstum, an dem Reichtum heimatgewachsenen Lebens und einer wirklichen Heimatgemeinde das Schwingen jener Harmonie vermitteln, in der das Spiel zum Leben wird und das Leben zum Spiel.