1933-45. In der Zeit der Bedrängnis. Von Joseph Lenze

Der nachfolgende Abschnitt über die Zeit des Nationalsozialismus und seine Auswirkungen auf das Leben in Balve ist ein Auszug des Kap. III aus dem Buch „80 Jahre Musikverein Balve – ein Kapitel Balver Geschichte“.

Geschrieben hat es der Verfasser Joseph B. Lenze zwischen 1983 und 1986. Er ging damit weit über den eigentlichen Anlass, die Würdigung des Jubiläums des Musikvereins Balve im Rahmen eines Festhefts, hinaus. Das Buch ist lesenswert und bietet tiefe Einblicke in das damalige Leben im Balver Land. Besonders plastisch ist das Kapitel über den Nationalsozialismus geschrieben, die „Zeit der Bedrängnis“. Hier verknüpft Lenze über 50 Seiten Tagesberichte und Anekdoten aus dem Alltagsleben des Musikvereins mit Berichten über die nationalsozialistische Indoktrination und das Terrorregime auf das Leben in Balve, wie es die damalige Tagespresse darstellte. Die „Gleichschaltung“ und das Mitläufertum, wie auch der alltägliche Widerstand im Kleinen, werden am Beispiel des Musikvereins Balve beschrieben. Ebenso die Einschränkung des religiösen Lebens und der kirchlichen und weltlichen Traditionen durch die menschenfeindliche Nazi-Weltanschauung.

Manches hinterfragt man heute kritischer. Berichte über die Zwangsarbeit im Hönnetal lagen zum Beispiel längst vor; das Thema wird von Lenze aber kaum gestreift. Sein Bemühen um objektive Berichterstattung der Balver Situation ist dennoch glaubhaft. Ihm geht es darum, als Chronist die Opfer zu würdigen, Zivilcourage Einzelner im Alltag festzuhalten und die damaligen Täter und Mitläufer als „Verführte“ und „Verleitete“ zu beschreiben. Es liegt ihm fern, „alte Wunden“ aufzureißen; vielmehr will er das Wissen über diese Zeit für die Nachwelt erhalten. (AAC)

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80 Jahre Musikverein Balve – ein Kapitel Balver Geschichte

Von Joseph B. Lenze 

Inhalt des Buches

I. Im Kaiserreich 
II. In der Weimarer Republik 
III. In der Zeit der Bedrängnis (1933-1945) 
IV. In der neuen Freiheit  
Gründer, Vorsitzende und Dirigenten des Musikvereins 

 

Vorwort von Hubert Hahn, 1. Vorsitzender

Vereinsjubiläen fordern bekanntlich immer dazu auf, Rückschau zu halten, Bilanz zu ziehen, Ereignisse aufzuzeichnen und zu überliefern. In den 80 Jahren unserer wechselvollen Vereinsgeschichte ist vieles geschehen. Es war an der Zeit, das Auf und Ab der Vergangenheit festzuhalten, ehe es unwiderruflich verloren geht. (…)

Der Verfasser, der selbst mehr als ein halbes Jahrhundert der beschriebenen Zeitspanne in Balve miterlebt hat, musste dennoch recherchieren, sammeln, hinterfragen, ordnen und korrigieren. Josef B. Lenze, der nicht zu denen gehört, die sich untätig der Langeweile hingeben, hat durch seine Bereitschaft, uns zu helfen, durch sein Bestreben, sich mit der Geschichte seiner Heimat zu beschäftigen, uns einen großen Dienst erwiesen, wofür wir ihm herzlich danken. (…)

Vorwort des Verfassers

Als mich im Herbst 1983 der Musikverein bat, ein „Festheft“ für das am 11.2.1984 stattfindende 80-jährige Jubiläum zu schreiben, war es – zumal nur noch wenig vereinseigene Unterlagen von 1904-1945 vorhanden waren – für den Termin 1984 zu spät. Die Nachforschungen im Archiv des Musikvereins, in den Pfarrarchiven, im Stadtarchiv, in der einschlägigen Literatur und anderen Quellen zogen sich begreiflicherweise länger als erwartet hin. Außerdem mussten, da später noch weitere Akten aufgefunden wurden, Einarbeitungen und Korrekturen vorgenommen werden, die den Lauf der Arbeiten erheblich beeinträchtigten. (…) Ereignisse, Vorgänge und Zusammenhänge aus der Zeit des „1000-jährigen Reiches“ zu beschreiben, brachte besondere Schwierigkeiten mit sich, da es heute – 40 Jahre danach – in einer kleinen überschaubaren Gemeinschaft vermieden werden muss, Wunden aufzureißen, ohne dabei die Wahrheit zu verschweigen. Ob und inwieweit mir dies gelungen ist, kann die Leserschaft beurteilen. (…)

Wer das Buch mit Aufmerksamkeit liest, wird feststellen, dass die Volksmusik über Jahrzehnte hinweg unser Leben begleitet hat. Der Musikverein spielte bei Prozessionen, Orgelkonzerten, Gottesdiensten, Beerdigungen und am Ehrenmal für die Gefallenen und die Opfer der Gewalt; er spielte zum Lobe Gottes, zur Erbauung und zum Trost der Menschen. Er spielte auch zu fröhlichen, frohen und heiteren Anlässen, zu Schützenfesten, Geburtstagen, Hochzeiten, Jubiläen und vielen anderen Festen, um den Menschen Freude zu bringen. 

Kap. III. In der Zeit der Bedrängnis (1933-1945)

Mit dem 30. Januar 1933, an dessen Abend auch in Balve ein Fackelzug veranstaltet wurde, begann für alle, die guten Willens waren, eine Zeit der Bedrängnis und der Not. Eine Zeit lang versuchten die neuen Machthaber auf die Bürger einen guten Eindruck zu machen. Sie marschierten anlässlich des 1. Mai des Erntedankfestes mit ihren Verbänden und anderen örtlichen Gruppen zur Kirche, um im Anschluss an den Gottesdienst die politischen Feiern zu veranstalten. In dieser Zeit wurden auch in Balve die NSDAP und ihre angeschlossenen Gliederungen „zügig“ aufgebaut. Viele Mitbürger – mehr, als man hätte erwarten dürfen – traten der Partei aus den unterschiedlichsten Motiven bei: Überzeugte, Gutgläubige, Opportunisten und solche, die innerhalb der Partei „bremsen“, d.h. gefährliche innerörtliche Entwicklung verhindern wollten. Einige von ihnen erkannten schon bald ihren Irrtum und zogen sich aus der aktiven Mitarbeit in SA und Partei zurück. Nur wenige hatten den Mut, ihren Austritt zu erklären. Während dieser Zeit wurde bereits ein erheblicher Druck auf Verbände, die der Partei nicht angeschlossen waren, ausgeübt, um sie gleichzuschalten. Dass der Musikverein Balve schließlich diesem Druck nachgab und am 5.11.1933 (siehe dazu meine späteren Einlassungen) beschloss, als Musikzug der SA-Reserve Balve beizutreten, ohne seine Selbstständigkeit als Musikverein aufgeben zu wollen, ist nur aus der Zwangslage heraus zu verstehen, in der sich damals alle Vereine befanden. Um weiter spielen zu dürfen, mussten jeweils Genehmigungen vom Arbeitsamt und anderen Stellen eingeholt und besondere Auflagen der Behörden beachtet werden; auch scheute man, bei einem Eintritt in die „Reichsmusikerschaft in der Reichsmusikkammer“ neue hohe Beiträge zahlen zu müssen. Daher unternahm man auch aus finanziellen Gründen zunächst den Versuch, ohne Beiträge und „ohne Kosten für eine Uniform“ der Balver SA-Reserve beizutreten. Der Musikverein konnte froh sein, dass aufgrund einer Anordnung der Obersten SA-Führung in Berlin schon im April 1934 alle Musikzüge der SA aufgelöst wurden. Dadurch war der Musikverein gehalten, dennoch der „Reichsmusikerschaft in der Reichsmusikkammer“ beizutreten, was zwar höhere Beiträge bedeutete, aber für den einzelnen Musiker angenehmer, „neutraler“ und „unpolitischer“ war. Hierdurch entfiel auch der Zwang, bei Parteiveranstaltungen in SA-Uniform auftreten zu müssen.

Im Übrigen, so wird von Zeitzeugen berichtet, ist in den fraglichen Monaten sowohl von der Balver SA als auch von der SA-Führung in Arnsberg ein unerträglicher Druck auf den Musikverein ausgeübt worden. Innerhalb des Musikvereins hat es zu dieser Zeit nicht an erheblichen Auseinandersetzungen und Verstimmungen gefehlt, was dadurch zum Ausdruck kommt, dass die 30-Jahr-Feier 1934 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht stattfand. Die Balver Presse schrieb dazu gleich zweimal, einmal im Januar 1934, in dem sie die Frage aufwarf, warum, wie man höre, der Musikverein sein 30-jähriges Bestehen nicht feiern wolle. Dann aber hieß es in einem Artikel Mitte Februar 1934, dass der Musikverein Balve stolz auf sein 30-jähriges Wirken zurückblicken könne. Aus diesem Artikel ist aber nicht ersichtlich, ob dieserhalb eine Feier stattgefunden hatte. Diese allgemeinen Ausführungen waren erforderlich, um die Vereinsgeschichte von 1933-1945 besser zu verstehen.

1933

Die Stadt Balve hatte Anfang 1933 1.751, das Amt Balve 7.058 Einwohner. Die Stadt Balve hatte gegenüber 1925 einen Zuwachs von 216, gegenüber 1905 von 550 Seelen.

Der Musikverein Balve verlor am 30. Januar 1933 seinen stellvertretenden Vorsitzenden, den Gastwirt und Hotelier Heinrich Kohne, der kurzfristig verstarb. Der Musikverein erwies ihm die letzte Ehre und spielte an seinem Grabe das Lied vom guten Kameraden. Seine Jägerkameraden bliesen ihm auf ihren Jagdhörnern ein letztes Halali.

Am 18.02.1933 verstarb Dechant Franz Amecke, Ehrenbürger der Stadt Balve. Seine Beisetzung gestaltete sich zu einem großen Bekenntnis der Treue und Anhänglichkeit an einen beliebten Seelsorger. Dechant Amecke wurde mit großen Ehren in der Krypta der Seitenkapelle zur schmerzhaften Mutter Gottes bestattet. Über 40 Geistliche, die Vertreter der Kirchengemeinde und der Stadt Balve, der Kirchenchor, die Schützenbruderschaft, der Musikverein, der Männerchor und eine Korporation seiner Studentenverbindung „Saxonia“ in ihren prächtigen Uniformen sowie fast alle Pfarrkinder nahmen an der Beisetzung teil. Der Sarg wurde von außen – die Rundmauer der Seitenkapelle war eigens dafür geöffnet worden – in die Grabkammer gesenkt. Ein Pfarrer, den alle geliebt und den seine Pfarrkinder in liebenswürdiger Weise „Franz-Pastäuer“ nannten, hatte seine letzte Ruhe gefunden. Alle, die ihn gekannt haben, erinnern sich noch gern an seine väterliche Art, an seine sprichwörtliche Güte, an seine Unbefangenheit, Gutes zu tun, auch wenn er dabei mal “übers Ohr gehauen“ wurde. Der Musikverein hatte von 1908-1933, 25 Jahre lang, das beste Verhältnis zu dem aus Büderich bei Werl gebürtigen Pfarrer und Dechanten.

Mit der „Verordnung zum Schutze von Volk und Staat“ vom 18.02.1933 wurden bereits wesentliche Grundrechte der Bürger außer Kraft gesetzt. In diesen Tagen verstärkte sich schon der Druck auf die Politiker der anderen Parteien. Der Terror gegen politische Gegner begann.

Am 5.3.1933 fanden die letzten freien (“ halbfreien“, wenn man den Druck bedenkt, der schon auf den Wähler und die Kandidaten der einzelnen Parteien ausgeübt wurde) Reichstagswahlen statt. Leider ist das Balver Wahlergebnis mir nicht bekannt, da die Unterlagen der Stadt sich nicht mehr in Balve befinden und die Ausgaben der Hönnezeitung vom ersten Vierteljahr 1933 fehlen. Es ist jedoch anzunehmen, dass in Balve ähnliche Verschiebungen zugunsten der NSDAP stattfanden wie im Reichsdurchschnitt. Das Sitzergebnis auf Reichsebene war wie folgt: NSDAP 288, SPD 120, KPD 81, Zentrum 73, DNV 52, BV 19, DST 5, DVP 2, kleinere Parteien 7 = insgesamt 647 Sitze. Die NSDAP verfügte also nicht über die absolute Mehrheit.

Bei den Gemeindewahlen am 12.3.1933, den letzten während der NS-Zeit, konnten noch mehrere Listen aufgestellt werden. Von den einzelnen Listen rückten ins Parlament der Stadt Balve ein: Hermann Hering (Wagenbauer), Heinrich Simon (Architekt), Josef Cordes (Kaufmann), Theodor Pröpper (Organist), August Betten (Elektromeister), Josef Allhoff (Gutsbesitzer), Wilhelm Hertin (Fabrikdirektor), Franz Drilling (Arbeiter), Carl Moog (Zigarettenhersteller), Johann Schäfer (Maurer). Zum Gemeindevorsteher wurde Hermann Hering (Wagenbauer) gewählt. Zu welcher Liste die einzelnen Vertreter gehört hatten, ist aus der Zeitungsmeldung leider nicht ersichtlich. Für die Wahl zur Amtsvertretung stellten sich zwei Listen zur Wahl, die Liste der NSDAP und die Freie Liste des Schreinermeisters Heinrich Bathe, Balve. Die Liste der NSDAP erhielt nur 1281, die Liste der „Freien Wähler“ hingegen 1790 Stimmen. Es zeigte sich, dass bei gegebener Auswahlmöglichkeit die Anhängerschaft der NSDAP im Amt Balve in der Minderheit war. Späterhin gab es keine Kommunalwahlen mehr. Die Ratsmitglieder wurden „ernannt“.

Am 24.3.1933 verabschiedete der Deutsche Reichstag das „Ermächtigungsgesetz“, wodurch die Legislative (Gesetzgebung) auf die Reichsregierung übertragen wurde. Auf diese Weise konnte Hitler „legal“ seine diktatorische Macht auf- und ausbauen. Viele „bürgerliche Politiker“ hatten – ohne vielleicht zu ahnen, welche Folgen ihre Stimme für dieses Gesetz haben würde – der Vorlage zugestimmt.

Anlässlich einer Veranstaltung der SA in Balve (kurz nach der „Machtübernahme“) ließ Amtsbürgermeister Dinkloh die NS-Fahne, die nachts auf dem Amtshaus gehisst worden war, „herunterholen“. Er wurde deswegen seitens des Landrates Dr. Teipel gerügt. Die SA-Neuenrade, die die Flagge gehisst hatte, hatte eine Beschwerde eingereicht. Bürgermeister Dinkloh musste die Fahne erneut „aufhängen“. Am 10.4.1933 fand eine NS-Versammlung bei „Kohne“ statt. Es sprach ein auswärtiger Redner. Zum Schluss der Versammlung wurden das „Lied der Deutschen“ und das „Horst-Wessel-Lied“ gesungen. Beim Absingen des „Horst-Wessel-Liedes“ setzte sich Bürgermeister Dinkloh „spontan“ und erhob auch nicht die Hand zum „Deutschen Gruße“. Einer der Teilnehmer meldete diesen Vorfall erneut dem Landrat. Bürgermeister Dinkloh wurde vorgeladen und „verwarnt“. Landrat Teipel erklärte Herrn Dinkloh, dass er “ihn wohl verstanden habe“. Dinkloh hatte dem Landrat erklärt, dass „er als nicht-Mitglied der NSDAP sicher nicht würdig sei, das ´Horst-Wessel-Lied´ zu singen“.

Am 1. Mai 1933 umrahmte der Musikverein die Feiern aus Anlass des Tages der Arbeit. Es war ein Montag, der zum Feiertag erklärt worden war. Am 12.5.1933 stellte der Musikverein Balve einen Antrag an die Stadt Balve, sie möge einen Zuschuss von Reichsmark 40,- an den Musikverein zahlen, da der selber am 1. Mai sich in den „Dienst der guten Sache gestellt“ und “die Feiern verschönert“ habe. Eine Antwort der Stadt Balve ist nicht aktenkundig.

Die Einführung von Pfarrer Wilhelm Boedicker am Himmelfahrtstag, dem 24.5.1933, war ein für die Pfarrei Balve festliches Ereignis, welches während des Gottesdienstes durch die meisterhafte Kunst von Theodor Pröpper an der Orgel sein besonderes Gepräge erhielt. Alle kirchlichen und der Kirche nahestehenden weltlichen Vereine nahmen mit ihren Fahnenabordnungen am Gottesdienst und der Feier im Kirchensaal teil. Kirchenchor, Musikverein und Männerchor Balve umrahmten die Feierlichkeiten vor, während und nach dem Gottesdienst. Auch in den folgenden Jahren brachte der Musikverein – dies war sicher in jenen Tagen ein besonderes Bekenntnis zur Kirche – dem Ortspfarrer und dem Vikar zu entsprechenden Anlässen (Geburts- und Namenstagen) immer wieder ein Ständchen.

Am 28.5.1933 fand eine gemeinsame „Schlageterfeier“ der männlichen Schuljugend des Amtes Balve und der NS-Organisationen auf dem Schulplatz vor den am 1. Mai 1933 gepflanzten drei Eichen statt. Nach dem Lied „ich hab mich ergeben“ hielt der Propagandaleiter der NSDAP eine Ansprache, in der er das Leben Albert Leo Schlageters zu würdigen versuchte. Mit dem Lied „Ich hatt einen Kameraden“ fand die Feier ihren Abschluss. Die Musikvereine Balve und Garbeck hatten die Feierstunde umrahmt. Im Übrigen wurde das Andenken an Albert Leo Schlageter bald von den Nationalsozialisten verdrängt, weil Schlageters tiefe Religiosität – er war überzeugter Katholik – auf die Dauer nicht in das Konzept der NSDAP passte. Albert Leo Schlageter war 1923 während der Ruhrbesetzung durch französische Truppen nach einem Prozess vor einem Militärgericht wegen Sabotage zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Dem noch amtierenden Amtsbürgermeister Dinkloh war kurz vorher mitgeteilt worden, dass „er nicht würdig sei“, die Ansprache zu halten. Er wurde, wie er sich heute noch gut erinnert, von einigen Fanatikern als „Römling“ bezeichnet.

Am 4.6.1933 beschwerte sich der Musikverein Balve unter der Rubrik „eingesandt“ in der Hönnezeitung über die Tatsache, dass in letzter Zeit der Musikverein in der Öffentlichkeit mehr und mehr lächerlich gemacht würde. Wörtlich hieß es: „Sollten sich die Vorfälle häufen, wird der Musikverein seine Konsequenzen ziehen“.

Am 24.6.1933 fand auf dem DJK-Sportplatz ein “Fest der Jugend“ mit „Wehrsportübungen“ der Stahlhelm-Jugend und Sportwettkämpfen der übrigen Jugend, umrahmt von Musik, Spiel, Volkstanz und Gesang, statt. In der Einladung hieß es weiter: „Punkt 9:00 Uhr abends Antreten auf dem Weg zur Schule, jedoch nur die Männerwelt von Balve; Formierung wie beim 1. Mai. Der Marsch geht über die Hauptstraße bis zum Baumberg, wo eine Sonnenwendfeier, verbunden mit einer schlichten Weihestunde, stattfindet.“ Auch der Musikverein wurde zu dieser Veranstaltung eingeladen. Die in den folgenden Jahren durchgeführten „Reichsjugendwettkämpfe“ sollten der „körperlichen Ertüchtigung“ dienen. Sie fanden bei der Jugend regen Zuspruch, wenngleich manche Jugendliche die politischen Zielsetzungen des “Dritten Reiches“, soweit sie imstande waren, diese zu beurteilen, bzw. entsprechend im Elternhause beeinflusst wurden, nicht teilten.

Zum Balver Schützenfest vom 15. bis 17.7.1933 richtete der Musikverein Balve die Musik aus.

Am 20.7.1933 wurde das „Reichskonkordat“ zwischen dem Deutschen Reich und dem “Heiligen Stuhl“ unterzeichnet. Es trat mit dem 10.09.1933 in Kraft und hat auch heute noch seine Gültigkeit. Dem Konkordatsabschluss waren jahrelange Verhandlungen (noch mit den vorhergehenden demokratischen Regierungen) vorausgegangen.

Am Sonntag, dem 6.8.1933, veranstaltete der Männerchor Balve ein Gesangsfest in der Balver Höhle. Anlass war die Feier des 50-jährigen Bestehens. Im Programm hieß es unter anderem: „Die Musik wird ausgeführt vom Musikverein Balve unter persönlicher Leitung seines Dirigenten, Herrn Johann Mesters“. Auch dieser Tag begann um 6:45 Uhr mit dem Gang zur Kirche. In der heiligen Messe wurde die neue Fahne des Gesangsvereins eingeweiht. (Der Männerchor ging damals noch vom Gründerjahr 1883 aus. Später – nach dem Zweiten Weltkrieg – wurde festgestellt, dass die Gründung bereits 1874 erfolgt war).

Am 8.8.1933 teilte der Vorstand des Musikvereins einem Mitglied mit, dass es aus dem Verein ausgeschlossen worden sei. Der Ausgeschlossene wurde aufgefordert, sein Instrument dem Verein zurückzugeben. Am 10.8.1933 berichtete die Zeitung, dass Ferdinand Schneider (Schüler Theodor Pröppers und Dirigent des Musikvereins in den fünfziger Jahren) seine Vorprüfung in Aachen mit “gut“ bestand. Am 13. August 1933 feierte der Musikverein Affeln sein 25-jähriges Jubiläum. Der Musikverein Balve konnte leider an dieser Veranstaltung nicht teilnehmen. Am Sonntag dem 20.9.1933, veranstaltete der Musikverein einen Ausflug zum Gasthof Schulte in Volkringhausen. Alle, auch die passiven Mitglieder und deren Angehörige, sowie Freunde und Gönner waren herzlich eingeladen.

Am 31.8.1933 teilte der Bürgermeister der Stadt Balve (i. V. Schulte) dem Musikverein mit, dass künftig bei allen Veranstaltungen mindestens 14 Tage vorher das Programm zur Prüfung (Verhinderung von „Kitsch und Schund“) durch den Kreiskulturwart vorgelegt werden müsste.

Am 10. September 1933 schrieb Johann Mesters an Musikdirektor Hahn in Arnsberg, dass der Musikverein Balve 20 aktive und 60 passive Mitglieder habe. Die Aufgaben des Vereins umriss er wie folgt: „Der Verein spielt bei kirchlichen Anlässen und bei Festen, die in Balve vorkommen, zum Beispiel Kriegerfeste, Kriegerbeerdigungen, kleine Sängerfeste und vaterländische Veranstaltungen“. Er wies darauf hin, dass der Verein nur kleine Entgelte erziele, die der Vereinskasse zuflössen. Die Spieler selbst würden keine Entgelte erhalten, auch der Leiter des Musikvereins erhielt keine Entschädigung. Wörtlich schrieb er unter anderem: „Als Äquivalent für die Sommerkonzerte, die dem Interesse der Gemeinde und der fremden Werbung dienen, stellt die Stadt Balve in der Volksschule ein Übungslokal zur Verfügung. Der Verein stellt ferner dem katholischen Kirchenchor seine Hilfe bei kirchenmusikalischen Andachten zur Verfügung. Auswärtige Feste zwecks Nebenverdienst werden nicht angenommen.“

Das Erntedankfest vom 1.10.1933 hatte ein umfangreiches Programm für den ganzen Tag. Wenngleich, wie am 1.5.1933, um 9:30 Uhr auch ein Festgottesdienst stattfand, hatte dennoch der Feiertag ein einseitiges NS-Gepräge.

Abends ab 20:00 Uhr waren, so hieß es wörtlich im Programm, fröhliche Abendfeiern mit Freitanz in den Lokalen der Stadt. Die Worte “fröhliche Abendfeiern“ und „Freitanz“ verraten auch hier eine „neue Sprache“.

Ähnlich verhielt es sich mit der Handwerkerwoche vom 15. bis 21. Oktober 1933. Am Sonntag, dem Eröffnungstag dieser Woche, fanden wiederum ein gemeinsames Hochamt für alle Vereine, nachmittags ein Festzug mit Musik statt, zu dem nach der Vorankündigung außer den NS-Gliederungen auch der Handwerker-und der St. Josefs-Verein (Gesellenverein) eingeladen waren; im Bericht über den stattgefundenen Festzug hieß es dann allerdings, dass aus guten Gründen die Gliederungen der Partei an diesem Festzug nicht teilgenommen hätten. Abends spielte der Musikverein Balve, der zu diesem Zweck zwei Spielgruppen gebildet hatte, in zwei Balver Gasthöfen zum Tanze auf. Beide Feste zeigten, wenn man sie genau analysiert, das Bemühen der neuen Machthaber, auf jedem nur erdenklichen Wege alle Bedenken gegen ihr Regime bei der Bevölkerung auszuräumen. Zu diesem Zweck war den neuen Herren jedes Mittel recht, auch wenn die Bauern-und Handwerkerschaft, die örtlichen Vereine und die Kirche in diesen Täuschungsprozess einbezogen wurden. Mit besonderer Genugtuung wies der Berichterstatter der Hönnezeitung darauf hin, dass eigens ein Hirtenbrief aus Anlass des Handwerkertages verlesen worden sei, dessen Worte nur jeder beherzigen möge. Dennoch ahnten manche Balver in diesen Tagen der Anpassung und der Täuschung, dass sich der Kurs der neuen Machthaber, erst einmal fest im Sattel, bald ändern würde.

Am 5.11.1933 fand im Gasthof Scheele eine Generalversammlung des Musikvereins Balve statt, in der über den Beitritt des Musikvereins Balve zur SA bzw. SA-Reserve beraten wurde. Im Protokoll wurde wörtlich festgehalten: “In der auf heute 10 ½ Uhr in den Gasthof Scheele einberufenen Generalversammlung des Musikvereins wurde Folgendes verhandelt: Die Sturmabteilung der NSDAP hat mündlich den Antrag gestellt, uns zur Bildung einer SA-bzw. Reserve-SA-Musik (d.h. Musikzug) zu äußern. Die Sach- und Rechtslage wurde eingehend besprochen. Es wurden Vorschläge gemacht über die “Umbildung des Musikvereins als SA-Kapelle“. Beschlossen wurde: wir sind grundsätzlich bereit, Reserve SA-Kapelle zu werden, damit wir die heute erforderliche Lizenzkarte für jedes Mitglied bekommen, die zur Aufführung musikalischer Werke durch den Musikverein sowie auch durch einzelne Mitglieder berechtigt. Der Musikverein als solcher bleibt bestehen, behält das gesamte Vereinsvermögen, Instrumente, Noten pp., und spielt die von ihm angenommenen Festlichkeiten, Beerdigungen, Prozessionen pp., ohne dass dazu die Genehmigung des Reserve-SA-Sturmführers erforderlich ist, selbstständig und in dem vom Musikverein bestimmten Vereinsanzug. Wir unterstehen nur als Reserve-SA-Kapelle dem Sturmführer der SA-Reserve. Als Musikverein unterstehen wir dem Leiter des Vereins. Unkosten dürfen dem Verein oder einem einzelnen Mitglied nicht entstehen. Die SA-Uniform wird von der SA-Reserve Balve angeschafft, ebenso übernimmt die Kasse der SA-Reserve die Zahlung der Monatsbeiträge von 1,30 Reichsmark pro Mitglied. Dirigent Mesters wurde vom Musikverein beauftragt, mit den maßgebenden Personen der SA-Reserve Fühlung aufzunehmen und das heute Beschlossene vorzutragen.“ Aus einer handschriftlichen Aufzeichnung, die dem Protokoll beigefügt ist, geht hervor, dass im November 1933 von den 20 Mitgliedern des Musikvereins fünf der NSDAP und sechs dem Stahlhelm angehörten. Am 7.11.1933 teilte Johann Mesters die Beschlüsse vom 5. November 1933, ohne alle speziellen Einzelheiten zu erwähnen, schriftlich dem Sturmführer der Balver SA, Bartels, mit. Mesters schrieb unter anderem wörtlich: „Die Unterzeichnung der Verpflichtungsscheine und die Ausfertigung eines Lebenslaufes ist leider bis zum Ablauf der Sperre nicht mehr möglich“. Mesters meinte sicherlich „bis zum Beginn der Sperre“. Er schloss seinen Brief mit der Bemerkung, dass der Musikverein sich schon bisher in „uneigennütziger Weise“ in den Dienst der NSDAP gestellt und sämtlichen Veranstaltungen, vaterländischen Kundgebungen und Wahlversammlungen „seine Mitwirkung geliehen“ habe. Wörtlich hieß es: „Aus diesen Tatsachen heraus bitten wir, die verspätete Anmeldung noch nachträglich zu genehmigen und uns die Bedingungen einer SA-Kapelle mitteilen zu wollen“. Ein Antwortschreiben der SA ist in der Akte nicht enthalten. Dass von allen Seiten Druck auf die noch nicht der Partei angeschlossenen Vereine ausgeübt wurde, geht auch aus der Tatsache hervor, dass sich ein „Reichskartell der deutschen Musikerschaft“ in der Reichsmusikkammer gebildet hatte. Am 7.11.1933 bat Johann Mesters Musikdirektor Hahn, Arnsberg, um eine Aufklärung über obige Institutionen und um Zusendung von Fragebögen und näherer Bedingungen für die Aufnahme.

Am 11. November 1933 wurde den Amtsvertretern im Laufe einer Sitzung mitgeteilt, dass Amtsbürgermeister Dinkloh in den Ruhestand versetzt worden sei. Eine Begründung wurde nicht gegeben. Ob eine Diskussion über diesen Punkt erfolgte, ist aus der Hönnezeitung nicht ersichtlich. Seit Juli 1933 war der Name des Amtsbürgermeisters bei Berichten über Gemeinde- bzw. Amtsvertretersitzungen nicht mehr genannt worden, was den Schluss zulässt, dass Bürgermeister Dinkloh bei der NSDAP in Ungnade gefallen war. Die Verfügung zu seiner Entlassung erging Anfang September 1933 vom Regierungspräsidenten in Arnsberg. Bürgermeister Dinkloh, ein untadeliger Beamter, war als überzeugter Katholik und langjähriges Mitglied der Zentrumspartei den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Er erinnert sich heute im Alter von 94 Jahren noch genau an die Ereignisse zur Zeit des „Überganges“ von der Demokratie zur Diktatur, an die Vorgänge in Balve vor und nach dem 30. 1.1933. Er hat hierüber eine kleine private Akte angelegt, die er jedoch nur für seine Kinder bestimmt hat. Er will sie nicht veröffentlichen, „um keine Wunden aufzureißen“. Nach seiner (Dinklohs) Zwangspensionierung übernahm sein Stellvertreter Heinrich Schulte die Amtsgeschäfte als kommissarischer Bürgermeister bis zur Ernennung Anton Rombergs am 1.12.1934.

Am Abend des gleichen Tages, am 11. November 1933, wanderten die Musiker des Musikvereins Balve über den Schad nach Mellen, um ihrem Mitbegründer Theodor Drees ein Ständchen zu dessen 60. Geburtstag zu bringen. Wie verlautet, ist es ein langer „Meller Abend“ geworden.

Am 12.11.1933 fanden zwei „Wahlen“ statt: 1. die „Wahlen“ für den Reichstag (es gab nur noch eine Liste), 2. die „Volksabstimmung über die Politik der Reichsregierung des Kanzlers Adolf Hitler“. Die „Wahlen“ in Balve hatten folgendes Ergebnis:

1. „Reichstagswahl“: 1021 “gültige“ Stimmen, 79 “ungültige“ Stimmen. Die gültigen Stimmen hatten der Liste zugestimmt, die ungültigen Stimmen sie verworfen.

2. „Volksabstimmung“: 1077 “Ja-“, 18 “Nein-“ Stimmen, elf “ungültige“. Es ist anzunehmen, dass die Auszählung der Stimmung großzügig zugunsten der NS-Partei erfolgte. Wahlfälschungen waren schon zu dieser frühen Zeit der NS-Macht an der Tagesordnung.

Am Sonntag, dem 19., und am Dienstag dem 21.11.1933, führte die Theatergruppe des St. Josephs-Vereins im Kohneschen Saale das Lustspiel „Pension Tullius“ auf. Unter der Regie von Heinrich Falke zeigten einzelne Spieler großartige Leistungen. Die Hönnezeitung wies empfehlend auf diesen Theaterabend hin und trug durch ihre Voranzeige sicher dazu bei, dass die Aufführungen sehr gut besucht waren.

Am 8.12.1933, an Mariä Empfängnis, veranstaltete der Trägerverein Balve seine Generalversammlung. Der Musikverein erfreute die Mitglieder des Kriegervereins mit seinen Darbietungen.

Am 11.12.1933 übersandte Kapellmeister Laue, Arnsberg, 60 Fragebogen und bat um Rücksendung in dreifacher Ausfertigung. Er wies darauf hin, dass sowohl das Eintrittsgeld wie der Monatsbeitrag pro Mitglied Reichsmark 1,- betrügen. 15. Dezember 1933 antwortete Johann Mesters, dass der Musikverein Balve im Augenblick nicht in der Lage sei, solche Beiträge aufzubringen. Außerdem sei der Musikverein seit November SA-Kapelle, so dass künftig keine besonderen Einnahmen zu verzeichnen sein. Wörtlich fügte er hinzu: „Wir bedauern daher, den Eintritt in dieser Zeit nicht vollziehen zu können.“

Aus einem Artikel der Hönnezeitung vom 14.2.1934 kann geschlossen werden, dass die Balver SA dem Antrag des Musikvereins vom 7. November 1933 entsprochen hatte. Die Hönnezeitung schrieb wörtlich: „Die jetzige SA-Kapelle und früherer Musikverein Balve konnte am letzten Sonntag auf ein 30-jähriges Bestehen zurückblicken. Drei Gründer des Vereins, und zwar Dirigent Mesters, Spediteur Lohmann und Holzarbeiter Schmöle sind noch heute aktiv in der Kapelle. Die gesamte Bürgerschaft ist dem Musikverein zu großem Dank verpflichtet, hat er doch durch 30 Jahre hindurch das Leben unseres Städtchens in Freud und Leid begleitet. All die vielen Veranstaltungen ließen sich ohne die Mitwirkung des Musikvereins gar nicht denken. Wir hoffen, dass der Musikverein, jetzt SA-Kapelle, uns noch so manche Stunde verschönt und danken ihm dafür.“

Am Sonntag, den 17. Dezember 1933, ging ein lang gehegter Wunsch der Balver evangelischen Christen in Erfüllung. Das nach den Plänen und unter Bauleitung des Balver Architekten Heinrich Simon errichtete Gotteshaus (evangelisches Gemeindehaus mit Kirchentag) wurde seiner Bestimmung übergeben. Von der Landwirtschaftsschule aus, in der bis zu diesem Tage die sonntäglichen Gottesdienstfeiern abgehalten worden waren, bewegte sich ein großer Festzug mit Musik (Deilinghofener Posaunenchor) durch Balve bis zur neuen evangelischen Kirche. Nach der Schlüsselübergabe fand die kirchliche Einweihung der neuen Kirche durch den Generalsuperintendenten D. Hümme statt. Pfarrer Wilhelm Boeddicker überbrachte die Grüße und Glückwünsche der katholischen Kirchengemeinde Balve. Nach der kirchlichen Feier, die durch einen Deilinghofener Chor mit dem Lied „Die Himmel rühmen des ewigen Ehre“ eingeleitet worden war, begaben sich die Teilnehmer in den Saal des Hotels Kohne. Die anschließende Feierstunde wurde von Gesängen, Ansprachen und Musikvorträgen umrahmt. Vor Errichtung des neuen Gotteshauses hatten die Balver evangelischen Christen über Jahrzehnte hinweg im Amtsgericht, im Gasthof Krüdewagen und zuletzt in der Landwirtschaftsschule ihre sonntäglichen Gottesdienste abgehalten. Dass in Balve von jeher zwischen den Christen beider Konfessionen und den Kirchengemeinden ein gutes Einvernehmen bestand, zeigt uns, dass es auch damals schon eine vom Volk gelebte und praktizierte „Ökumene“ gab.

Am 17.12.1933 ehrte die Hönnezeitung in einem großen Artikel den am 19.12.1933 in Köln zu Grabe getragenen Architekten Albert Betten, der 1872 auf dem Wocklumer Hammer geboren war. Albert Betten hatte in seiner langen Tätigkeit als Architekt – sein Büro war in Köln, wohin er als junger Mann nach Abschluss seiner Studien verzogen war – sich durch eine fruchtbare Tätigkeit in Deutschland einen Namen gemacht. Die lange Liste der von ihm geplanten Bauten: Kirchen, Krankenhäuser, Theater, Banken, Hotels, Geschäftshäuser und Verwaltungsgebäude – von Köln bis Kattowitz, von Wiesbaden bis Stralsund – bewiesen seine unerhörte Schaffenskraft. Seine letzte Arbeit war der sorgfältig geplante Kapellenanbau am Sankt Elisabeth-Krankenhaus im sauerländischen Bigge. Die ältesten Balver können sich noch an Albert Betten, den Bruder des Schreinermeisters Clemens Betten, erinnern.

1934

Am 18.2.1934 berichtete die Hönnezeitung über eine Sammlung der NS-Frauenschaft für Erstkommunionkinder und Konfirmanden. Die Sammlung erbrachte eine Summe von Reichsmark 133,-. Diese Meldung zeigt, wie wenig in den ersten Jahren die Bürger das wahre Gesicht ihrer Partei kannten. Es zeigt aber auch, dass die Mehrzahl derer, die damals mitmachten, „im guten Glauben“ beitraten und „mitmachten“, bis sie den falschen Weg erkannten. Dann fanden nur die wenigsten den Mut, auszuscheiden und sich zurückzuziehen.

Am Sonntag, dem ein 21.2.1934, wurden 140 Balver Frauen, wie die Hönnezeitung berichtete, in die NS-Frauenschaft aufgenommen. Diese hohe Zahl mag den Leser heute überraschen. Es muss hierbei jedoch berücksichtigt werden, dass viele Frauen von Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes und sogenannter öffentlicher Betriebe (VEW, AOK, Amtsgericht, Banken und Sparkassen u.ä.) sowie die Lehrerinnen “freiwillig-gezwungen“ – nolens volens – ihren Beitritt erklärten. Hinzu kam, dass auch unverheiratete Frauen ab dem 21. Lebensjahr der NS-Frauenschaft beitreten konnten. Während die NS-Frauenschaft von der NS-Partei in ihrer Arbeit unterstützt wurde, wurde die Arbeit der kirchlichen Frauenverbände zusehends erschwert. Zeitzeugen berichten, dass es mehrfach zu Verhören von Vorstandsmitgliedern der kirchlichen Frauenvereine durch die Behörden und die Gestapo kam.

Im Februar 1934 wurde das Gemeindeverfassungsgesetz geändert. Die am 12.3.1933 gewählten Gemeindevertreter verloren ihr Stimmrecht. Lediglich der Gemeindevorsteher, der Ortsgruppenleiter der NSDAP und der Führer der SA hatten Entscheidungsbefugnisse. Die gewählten Gemeindevertreter wurden nur noch als beratende Mitglieder eingeladen. Theodor Pröpper und andere betrachteten dies als Desavouierung und nahmen an den Sitzungen nicht mehr teil.

Anfang 1934 hatte die SS in Balve bereits 12 Mitglieder, wie aus einer Meldung der Hönnezeitung vom 26.2.1934 hervorgeht. In den folgenden Jahren wurde über Aktivitäten der Balver SS nicht mehr berichtet.

Wie die Hönnezeitungam 27.2.1934 berichtete, galten nach der neuen Feiertagsordnung der 1. Mai (Tag der Arbeit), der fünfte Sonntag vor Ostern – Reminiscere – (Heldengedenktag) und der erste Sonntag nach Michaelis (Erntedanktag) als nationale Feiertage. Außer diesen Feiertagen und allen Sonntagen wurden noch folgende Tage als Feiertag festgesetzt: Neujahrstag, Karfreitag, Ostermontag, Himmelfahrtstag, Pfingstmontag, der Bußtag am Mittwoch vor dem letzten Trinitatis-Sonntag und der erste und zweite Weihnachtstag. Hinzu kam in überwiegend katholischen Gegenden der Fronleichnamstag und in überwiegend evangelischen Gebieten der Reformationstag.

Am 4.3.1934 meldete die Zeitung, dass Dr. Hans Menne als erster Bürger von Balve im Rundfunk sprechen würde. Dr. Hans Menne sprach über „zeitgenössische Dichter und Künstler in Westfalen“. Dr. Menne bekleidete im Übrigen ab 1935 – neben seinen parteipolitischen Aktivitäten – zeitweilig das Amt des ersten Vorsitzenden des Verkehrsvereins Balve. Dem Verkehrsverein Balve gelang es damals, große Besucherströme aus dem Ruhrgebiet nach Balve zu holen.

Am 19.3.1934 verstarb Metzgermeister Clemens Dransfeld. Kriegerverein und Musikverein gaben ihm das letzte Geleit.

Am 5. April 1934 fand eine Generalversammlung des Musikvereins statt, in der für den erfahrenen Hotelbesitzer Heinrich Kohne der Gastwirt Wilhelm Scheele zum stellvertretenden Vorsitzenden des Musikvereins gewählt wurde. Es wurde über Beitrags-und Kassenfragen gesprochen. Dann hieß es wörtlich im Bericht der Zeitung: „Um den vielen in letzter Zeit auftauchenden Gerüchten über eine eventuelle Auflösung des Musikvereins entgegenzutreten, wird hiermit ausdrücklich festgestellt, dass der Musikverein weiter existiert und nicht so schnell aus der Liste der Balver Vereine gestrichen wird.“ Diese Zeilen machen deutlich, dass in der Versammlung offene Worte gefallen sein müssen. Der Musikverein war es leid, immer wieder als SA-Kapelle tituliert zu werden. Er wollte ein selbstständiger Verein, er wollte der Musikverein Balve bleiben, wenngleich er selbst – sicher unter Druck – am 5.11.1933 den Beschluss gefasst hatte, künftig ein „Doppelleben“ – einmal als „Musikzug der Reserve-SA Balve“, zum anderen als „Musikverein Balve“ – zu führen. Hinzu kam der Druck von oben, wonach nicht nur der einzelne Musiker, sondern auch die Musikvereine gehalten waren, der „Reichsmusikerschaft in der Reichsmusikkammer“ beizutreten. Zum Schluss dieses Artikels wies die Hönnezeitung auf die im kommenden Sommer stattfindenden beliebten Platzkonzerte hin, die hauptsächlich sonntags bei gutem Wetter veranstaltet würden. Im gleichen Versammlungsbericht wurde bedauert, dass beim Osterfeuer am Ostersonntag, dem 1.4.1934, die Musik gefehlt habe. Wörtlich hieß es: „Es fehlt nur noch das Miserere, und der Trauerzug wäre fertig.“ Das Fehlen des Musikvereins beim Osterfeuer war sicher auf den ständigen Druck von oben auf den Musikverein zurückzuführen. Hugo Camatta – aktives Mitglied des Musikvereins von 1930 bis 1936 – erinnert sich, dass es wegen des Tragens der SA-Uniformen erhebliche Außeneinandersetzungen im Verein gegeben hat. Im Übrigen sei die SA-Uniform nur kurze Zeit (von November 1933 bis April 1934) getragen worden. Einige Mitglieder, darunter Hugo Camatta, hätten die SA-Uniform jedoch nie angezogen. Für ihn sei dies leichter gewesen, da er die italienische Staatsangehörigkeit hatte.

Aus dem Protokoll des 5.4.1934, welches vor kurzem wieder aufgefunden wurde, geht – wie bereits erwähnt – unter anderem hervor, dass Johann Mesters als Vorsitzender mitteilte, dass „Musikzüge der SA“ aufgrund eines Befehls der Obersten SA-Führung in Berlin aufgelöst worden seien. Johann Mesters sagte dann weiter wörtlich: “Wer nunmehr, nach Auflösung der Musikzüge, noch Mitglied der SA-Reserve bleiben will, kann das tun; andernfalls muss er austreten.“ Im Protokoll hieß es dann wörtlich weiter: „Wir nehmen in Zukunft nur noch Geschäfte gegen Barzahlung an!“ Hier muss man schon zwischen den Zeilen lesen können, um den Sinn zu begreifen.

Der 1. Mai 1934 – „Tag der nationalen Arbeit“ – stand nach der Absicht der damals Beteiligten – weniger unter „NS-Vorzeichen“, als unter dem Bemühen der Balver, aus diesem Tag ein eigenes „Balver Fest“ zu machen, wenngleich notwendigerweise die NSDAP das Sagen hatte. Die Aufstellung des „Steines der Arbeit“, unter großen Mühen aus dem Allhoff´schen Steinbruch herbeigefahren, in die Erde gelassen und aufgestellt, sollte mehr den Charakter einer „Balver Institution“ als den eines „NS-Symbols“ haben, wenngleich in den Artikeln der Hönnezeitung auf den „Führer“ Bezug genommen wurde. Der Chronist möchte an dieser Stelle nicht verschweigen, dass der „Stein der Arbeit“ und die drei Eichen nicht nur das „tausendjährige Reich“, sondern auch die Nachkriegszeit bis auf den heutigen Tag überdauert haben. Aus dem „Platz der Jugend“ von 1934, auf dem alle Mai-Kundgebungen während des „Dritten Reiches“ stattfanden, wurde durch Ratsbeschluss Anfang der Sechzigerjahre ein Kinderspielplatz gemacht. Um einen „ungefähren Eindruck“ vom damaligen Geschehen zu vermitteln, geben wir beistehenden Artikel der Hönnezeitung von 1934 im Faksimile bekannt (siehe folgenden Exkurs). In einem weiteren Artikel wurde auf die „Dank-und Mai-Andacht“ am gleichen Tage hingewiesen; wieder ein Beweis dafür, dass man sich in den ersten Jahren bemühte, engen Kontakt mit der „Ortskirche“ halten, da man wusste, nur auf diese Weise nach und nach die Menschen für sich gewinnen zu können. Allerdings hielt dies nicht lange an. Schon 1935 begann die Zurücksetzung der kirchlichen Vereine, und ab 1937 wurden die Gottesdienste nicht mehr in die Feiertagsprogramme (1. Mai, Erntedank) aufgenommen.

Exkurs: Bericht der Hönnezeitung über das „Balver Denkmal“ für den Tag der Arbeit (1934).

Das Balver Denkmal für den »Tag der Arbeit«

Was rennt das Volk,
was wälzt sich dort
die langen Gassen brausend fort?
Stürzt Balve unter Feuersflammen?
Es hortet sich das Volk zusammen,
und einen Kalkstein riesengroß
gewahr ich aus dem Menschentross.

Hätte Friedrich von Schiller noch gelebt und wäre er zufällig in unserem Orte in der Sommerfrische gewesen, hätte er ferner noch nicht den »Kampf mit dem Drachen« gedichtet, vielleicht würde er mit obigem Vers die große Sensation vom letzten Samstag für immer verewigt haben.

Am letzten Samstag war es nämlich, als man in Balve einen nicht alltäglichen Zug beobachten konnte. Zwei Trecker zogen einen Wagen, der einen Stein im Gewicht von 300 bis 400 Zentnern trug. In wochenlanger Arbeit hatte man den Steinen bei der Allhoff´schen Ziegelei ausgegraben. Nun begann der schwierigste Teil. Der Stein musste verladen und einen Kilometer weiter zum »Platz der Jugend« gebracht werden. Von Iserlohn musste man eigens einen Wagen herbeischaffen, der das Gewicht des Steines tragen konnte. Mittels mehrerer Flaschenzüge und einer Reihe von Arbeitern der Allhoff´schen Ziegelei gelang es nach stundenlangen Anstrengungen, den Stein auf den Wagen zu winden. Besonderes Lob bei dieser »Pferdearbeit« haben sich die Ziegeleiarbeiter erworben, denn selbst nach Feierabend haben sie sich noch mit dem Riesen abgemüht. Samstagabend gegen 8:30 Uhr war der große Moment gekommen, als der bezwungene Riese von zwei Treckern durch unser Städtchen gezogen wurde. Ob dieser Sensation war natürlich jeder auf die Straße geeilt, um die Heldentat der fleißigen Arbeiter der Faust zu bewundern.

Auf der Brücke staute sich der Verkehr, was gewiss seit der Jahrtausendfeier nicht wieder vorgekommen sein dürfte. Ängstliche Gemüter glaubten, dass die Brücke das Gewicht nicht tragen könne. Sie wurde deshalb von der Polizei von den Passanten geräumt. Die Brücke war jedoch stärker als man annahm. Immerhin: Vorsicht ist besser als Nachsicht! Vor dem Feuerwehrgerätehaus wurde der Stein mit dem Feuerwehrschlauch bearbeitet. Der gröbste Dreck wurde hinuntergespült. Ein schwieriges Stück Arbeit war auch noch zu leisten, um den Steinen den steilen Berg hinauf zu fahren. Es stellte sich heraus, dass die beiden starken Trecker zu schwach waren. Man musste noch das Stracke´sche Lastauto vorspannen, die Zuschauer mussten schieben. Schließlich kam man mit vereinten Kräften ruckweise weiter. Auf dem »Platz der Jugend« ließ man den Wagen mit dem Stein stehen für Samstag hatte man sich genug gequält. Montags wurde metertiefes Loch geschaufelt, worin der Stein sein Fundament finden sollte. Am Nachmittag wurde er dann an den ihm zugedachten Platz gehoben.

An dieser Stelle, auf dem »Platz der Jugend«, steht der Stein nun und soll späteren Generationen ein Symbol für das gewaltige Geschehen unserer Zeit sein, in der es unserem Führer gelang, ein einiges Deutschland zu schaffen. Dieser Platz hat bereits historischen Wert, denn bekanntlich wurden im vorigen Jahre hier am 1. Mai die Adolf-Hitler-, die Paul-von-Hindenburg-und die Horst-Wessel-Eiche gepflanzt.

Somit haben Balver Bürger ein Denkmal für den Tag der Arbeit gesetzt, wie es westfälischer und symbolischer für diesen Zweck nicht hätte sein können.

Dass das Phänomen der NS-Weltanschauung und seine verheerenden Auswirkungen in keiner Weise erkannt waren, zeigt unter anderem die Tatsache, dass am 10.12.1933 die frischgekürte Leiterin der NS-Frauenschaft ganz unbefangen erklärte, sie hoffe, vor allem mit den beiden kirchlichen Frauenverbänden, dem katholischen Frauenbund und der evangelischen Frauenhilfe, hier in Balve gut zusammenarbeiten zu können.

Am 4.5.1934 wurde in der Hönnezeitung angekündigt, dass in den nächsten Wochen von Essen fünf Extrazüge mit ca. 1000 Tagesgästen unser schönes Balve respektive Hönnetal besuchen würden. Am 13.5.1934 trafen 1000 Eisenbahner aus Essen im Tal ein. Viele stiegen bereits in Klusenstein, Binolen und Sanssouci aus. Der Rest besuchte die Stadt Balve. (..)

Am 15.5.1934 teilte die Stadt Balve dem Musikverein mit, dass nach den geltenden Bestimmungen der Reichsmusikkammer (Fachverband B, Ortsgruppe Arnsberg) kein Verein und kein Gastwirt von sich aus Musiker engagieren könne. Man müsse vielmehr zehn Tage vorher beim Arbeitsamt ein Genehmigungsgesuch einreichen. Wörtlich schrieb die Stadt: “Berufsmusiker müssen die braune Karte (Ausweis der Reichsmusikkammer) haben oder Tageslizenzen, die von Musikdirektor Hahn in Arnsberg ausgestellt werden“.

Entsprechend der Ankündigung vom 4. Mai trafen in den nächsten Wochen weitere Sonderzüge ein, jeweils am Bahnhof mit Musik begrüßt wurden. Auch die Besichtigung des Heimatmuseums bildete einen Teil des Programms

Am 9. Juni 19.4.1934 teilte das Arbeitsamt mit, dass der Balver Musikverein bei einem Aufmarsch der Kreisbauernschaft in Arnsberg am 10.6.1934 für die Bauern des Amtes Balve spielen dürfe.

Am Sonntag, dem 17. Juni 1934, fand in Balve einen „großes Treffen der SA“ statt. Die „Rote Erde“ schrieb in ihrer Vorankündigung am 15.6.1934: “Der gesamte Sturmbann II der Standarte 218 wird in unserer Stadt einen großen Aufmarsch haben. Dies ist umso bedeutungsvoller, als auch an diesem Sonntag wieder ein Sonderzug der Eisenbahner aus Essen in Balve sein wird und auch die sportlichen Kämpfe des ganzen Sturmbanns hier ausgetragen werden.“ Das Tagesprogramm hatte folgenden Verlauf: „8:15 Uhr: Gottesdienst in der Balver Pfarrkirche, 9:00 Uhr: Sportwettkämpfe auf dem DJK Platz, 14:00 Uhr: Antreten der SA-Formationen auf dem DJK-Platz zum Aufmarsch“. Am Abend fanden die „Sportbälle“ in den Gaststätten von Balve statt.

In der gleichen Ausgabe der „Roten Erde“ vom 15.6.1934 wurde der Inhaber der Gaststätte “Sanssouci“ scharf angegriffen, weil er „unter Beschimpfungen gegen den Nationalsozialismus und dessen Gaupresse“ es abgelehnt hatte, die „Rote Erde“ zu beziehen. Diesen Artikel bringen wir nebenher im Faksimile (siehe folgenden Exkurs). Im Übrigen hat es anscheinend keine größeren Folgen für Herrn Wienböker gehabt, denn er hat bis 1938 seinen Betrieb in Sanssouci weitergeführt. Dann übernahm Fritz Born aufgrund vertraglicher Abmachungen die Gastwirtschaft.

Exkurs: „Stichworte“ der Westf. Landeszeitung „Rote Erde“ vom 15. Juni 1934 gegen den Pächter des „Ausflugslokals Sanssouci, Wilh. Wienböker.

Stichworte:

Das herrliche Tal im Sauerland ist weit und breit bekannt und wird besonders von Hagenern sehr gern als Erholungsstätte aufgesucht. Mitten in diesem idyllischen Tal liegt das bekannte Ausflugslokal »Sanssouci«. Dass der Pächter dieses Lokals als einer der schwärzesten Reaktionäre anzusprechen ist, dürfte den meisten Besuchern nicht bekannt sein. Dieser Gastwirt konnte es z.B. nicht unterlassen, vor einigen Tagen einen höflich bei ihm vorsprechend Werber der WLZ gegenüber in der pöbelhafteten Weise gegen den Nationalsozialismus und dessen Gaupresse hetzen. In Zeiten der Bonzokratie gaben sich außer Zentrumsleuten aus der näheren Umgebung in der Hauptsache Juden mit ihren »Dämchen« ins Sanssouci ein Stelldichein. Nach dem Gebaren des Wirtes muss angenommen werden, dass er auch heute noch auf solche Gäste besonderen Wert legt; das mag erhalten wie er will. Sicherlich aber werden sich alle wahrhaften Nationalsozialisten und vor allem unsere Parteigenossen das Betragen des Sanssouci-Wirtes merken und nur dort verkehren, wo der Gastwirt eine andere Auffassung vom Nationalsozialismus hat und im übrigen auch eine nationalsozialistische Zeitung hält.

Was die Beleidigungen angeht, die sich der Pächter der „Sanssouci“ hat zu Schulden kommen lassen, so wird darüber an anderer Stelle noch ein sehr deutliches Wort gesprochen werden.

Am Samstag, dem 23.6.1934, fand eine „Sonnenwend-Feier“ statt; im Festzug spielte der Musikverein Balve, sicherlich mehr gezwungen als freiwillig. Dass die Nationalsozialisten in Balve genau Bescheid wussten, geht aus dem Zeitungsbericht hervor. Sicherlich nicht zufällig sprach der Redner von der “Jämmerlichkeit der Spießer, Nörgler und Besserwisser“. Man hatte ihn vorher über die Balver Situation informiert.

Im Sommer 1934 wurde das frühere Freibad in der Borke (im Tiefenthal, rechts kurz vor der Mellener Borkebrücke) eröffnet. Es war dies für Balve ein Novum, zumal dort „gemeinschaftlich“ gebadet und geschwommen wurde. Es war daher aus der Zeit heraus verständlich, dass dies damals noch von vielen Bürgern als „anstößig“ empfunden wurde. Nach einer gewissen „Gewöhnungszeit“ wurde das Freibad jedoch von vielen Jugendlichen, aber auch von manchem Erwachsenen benutzt. Nach dem Kriege wurde das Freibad geschlossen.

Am 20.6.1934 erhielt der Musikverein die Mitteilung, dass sein Antrag, als Mitglied der Reichsmusikkammer angeschlossen zu werden, genehmigt worden sei. Wörtlich hieß es weiter: „Die Gebühren von Reichsmark 54,- sind bezahlt. Der Musikverein ist somit mit meiner jeweiligen Genehmigung spielberechtigt“ (man merke, welche Bürokratie und welcher “Machtapparat“ sich hier offenbarte!).

(Röhmputsch … Staatsakt Hindenburg …).

Nach einem HZ-Bericht vom 29.8.1934 trat Dr. van Bömmel in der letzten Generalversammlung des Kriegervereins als Vorsitzender zurück. Justizsekretär Hermann Herdes übernahm vorläufig, bis zur Bestimmung eines „Vereinsführers“ durch den „Kreisverbandsführers“, das Amt des ersten Vorsitzenden. Die „Gleichschaltung“ mit den Gliederungen der Partei setzte sich fort. Im Kriegerverein wurden die bisher üblichen demokratischen Methoden durch „Führung von oben“ ersetzt.

Am Sonntag dem 9.9.1934 fand eine große Übung der Feuerwehr mit der Sanitätskolonne statt. Die Presse berichtete hierüber am 11.9.1934 und schrieb unter anderem wörtlich: “Im geschlossenen Zuge marschierten die Feuerwehren mit der Sanitätskolonne unter Vorantritt der “Balver Sturmbannkapelle“ zur Höhle“. Später hieß es wieder wörtlich: „Der Vereinswirt Wilhelm Scheele und der Balver Musikverein sorgte dafür, dass die zahlreichen Besucher noch recht lange in der Höhle verweilten.“ In diesem angeführten Bericht vom 11.9.1934 wurde der Musikverein Balve zum letzten Mal in der Presse als SA-Kapelle bezeichnet.

Am 14.9.1934 verfügte der Landrat des Kreises Arnsberg eine neue Zusammensetzung der Gemeindevertretung. Es gehörten der Vertretung außer dem Gemeindeführer (Gemeindevorsteher) Carl Streiter und dem zeitigen Ortsgruppenleiter der NSDAP sowie dem Führer der Balver SA die Ratsherren Friedrich Thiemann, Johann Schäfer, Fritz Burges und Johannes Berken an. Die 1933 gewählten Gemeindevertreter waren durch diese Verfügung nunmehr endgültig „ausgeschaltet“. Ihre Rechte waren seit Anfang 1934 bereits erheblich beschnitten worden. Nach dem Verlust des Stimmrechts hat sich bereits Anfang 1934 die Mehrzahl von ihnen zurückgezogen.

Am 30.9.1934 teilte die „Reichsmusikerschaft in der Reichsmusikkammer“, Nebenstelle Arnsberg, dem Balver Musikverein die Genehmigung, zum Balver Erntedankfest zu spielen. (..)

Am Sonntag dem 28.10.1934, am Christkönigsfest, wurde zum Abschluss eines Triduums im Rahmen einer Missionserneuerung ein großes Kreuz auf dem Schieberg eingeweiht, welches einige Tage vorher dort errichtet worden war. Dieses gewaltige Zeichen christlichen Glaubens war auch ein Zeichen Balver Glaubenstreue in den Wirren jener Zeit, die 1945 ihren Abschluss fand. (Fußnote des Verfassers: Das Kreuz auf dem Schieberg ist der Lauf der Nachkriegsjahre zugewachsen. Tannen haben ihr natürliches Wachstum. Der Querbalken des Kreuzes liegt auf dem Boden. Es wäre an der Zeit, sich mit der Wiedererrichtung des Kreuzes an dieser oder einer anderen Stelle zu befassen).

Am 1.12.1934 übernahm Anton Romberg die Amtsgeschäfte als Amtsbürgermeister von Balve. Er stand bis Kriegsende an der Spitze der Balver Verwaltung. Sein Stellvertreter war Kaufmann Carl Streiter.

Am 8.12.1934, Mariä Empfängnis, hielt der Trägerverein eine Generalversammlung im Hotel Kohne ab. Rund 80 Kameraden hatten sich eingefunden. Der Musikverein spielte alte Märsche. Die Versammlung gedachte des verstorbenen Kameraden Heinrich Kohne. Es wurde Beschwerde darüber geführt, dass im Ehrenmal „flirtende junge Leute“ beobachtet worden seien. Um dieses zu verhindern wurde angeregt, ein Gitter anzubringen. (…)

(p.72: diverse Mitteilungen…)

1935

Am 16.3.1935 wurde die “allgemeine Wehrpflicht“ wieder eingeführt. Gleich darauf begannen die Vorbereitungen für die Erfassung der Wehrpflichtigen. Schon damals gab es auch in Balve Mitbürger, die begriffen, dass „der Krieg bereits begonnen hatte“. (…)

Am Ostersonntag, dem 21.04.1935 , feierte Victor Heimann (er ist Weihnachten 1944 in einem Gefangenenlager im Donezgebiet im Alter von 37 Jahren verstorben) seine Primiz. Der Musikverein Balve brachte dem Primizianten ein Ständchen.

Am gleichen Tag wurde das Osterfeuer unter den Klängen des Musikvereins Balve abgebrannt. Die Hönnezeitung berichtete, dass leider keine Auferstehungslieder gesungen worden wären. Dieser alte Brauch müsse in Zukunft wieder mehr beherzigt werden. Während des Abbrennens des Osterfeuers wurde das Kreuz auf dem Schieberg wie im Vorjahr bengalisch beleuchtet.

Am zweiten Ostertag, am Montag dem 22.4.1935, wurde nach einem Festzug, an dem sich auch der Musikverein Balve beteiligte, das von Wilhelm Preuß gebaute erste Balver Segelflugzeug auf den Namen „Schmalen Jupp“ – Josef Schmale fiel im Ersten Weltkrieg als Flieger – von Meta Preuß “getauft“. Nach der feierlichen Zeremonie konnten trotz der schlechten Aufwinde ein Werdohler Segelflugzeug sowie auch das neue Balver Segelflugzeug einige Flüge absolvieren. An dem Treffen auf dem Wachtloh nahmen viele Balver teil.

Vom 1. Mai 1935 fand nach einem gemeinsamen Kirchgang ein großer Festzug mit musikalischer Begleitung durch den Musikverein statt. Vorher hatte der Musikverein ein Platzkonzert gegeben.

(…)

Am 27.4.1935 hatte der Musikverein dem Propagandaleiter der NSDAP mitgeteilt, dass er gegen Zahlung von Reichsmark 45,- bereit sei, am 1. Mai zu spielen. Für den Fall, dass Gebühren nach Arnsberg abgeführt werden müssten, müsste pro Spieler noch ein Betrag von Reichsmark 0,50 zusätzlich erhoben werden. Wörtlich hieß es am Schluss dieses Briefes: „Von 17-18 Uhr für Reigen und Volkstänze können wir nicht, da wir bereits andere Verpflichtungen haben.“

Ab Mai 1935 nahmen die Vertreter der NSDAP und der SA nicht an den Sitzungen der Gemeindevertretung teil. Der Titel „Gemeindeführer“ wurde in „Beigeordneter“ umbenannt. Damit sollte nach außen hin der Eindruck erweckt werden, dass die Gemeindepolitik nicht direkt dem Einfluss der Partei unterlag. Dennoch behielt die Partei ihren starken Einfluss, denn ohne das Wort des Amtsbürgermeisters „lief nichts“. Er war schließlich auch der „stärkste“ Mann in der Ortsgruppe der NSDAP Balve.

Am 26.5.1935 fand in der Pfarrkirche eine kirchenmusikalische Andacht unter dem Motto „Ave Maria“ statt. Die Feierstunde wurde von Theodor Pröpper mit der Orgel-Introduktion von H. Weber eingeleitet. Höhepunkt der Andacht war das vom Kirchenchor vorgetragene Lied „Singt unserer Frau das Hohelied“. Das in die Orgel neu eingebaute Glockenspiel kann im Laufe der Andacht zum ersten Mal voll zur Geltung.

Am gleichen Tag trafen zwei Sonderzüge aus Wesel mit eigener Musikkapelle in Balve ein. Am 29.5.1935 berichtete die Hönnezeitung von einem Sonderzug von Arbeitern und Angestellten der Krupp-Werke aus Essen, die von der Balver Musikkapelle vom Bahnhof abgeholt wurden. (…)

Am Samstag und Sonntag dem 1. und 2. Juni 1935 wurde das Kreisfeuerwehrfest in Balve abgehalten. Am Samstag war um ein 20:00 Uhr einen Zapfenstreich, anschließend Kommersabend im Saale Allhoff. (…)

Im Juni und Juli kamen weitere Sonderzüge nach Balve, die wie gewohnt vom Musikverein am Bahnhof abgeholt und bis zur Stadtmitte geleitet wurden. (…)

Die Mittsommerprozession fand am Sonntag dem 30.6.1935, unter Mitwirkung des Kirchenchores und des Musikvereins um den Husenberg statt. Die Prozession wurde, wie das Pfarramt nach Mitteilung der Hönnezeitung bekannt gemacht hatte, erstmalig aus „Verkehrsgründen“ nicht durch die Stadt, sondern um den Husenberg abgehalten. Die Fronleichnamsprozession am 20. Juni hatte wegen schlechten Wetters durch einen Umgang in der Kirche stattfinden müssen. Es ist überliefert, dass im Verlauf der Mittsommerprozession zwei Balver Bürger, Heinrich Schulte und Clemens Betten („Betten Krause“), demonstrativ den alten Weg gingen, um gegen die Änderung aus „Verkehrsgründen“ zu demonstrieren. Obwohl die Bekanntmachung vom katholischen Pfarramt erfolgt war, war dennoch durchgesickert, dass die Änderung des Verlaufes der Prozession auf behördliche Anordnung zurückging.

Am 29. und 30.6.1935, an „Peter und Paul“ und dem darauffolgenden Sonntag, waren in Balve „fleischlose Tage“, da nach Mitteilung der Hönnezeitung bei den Bauern zu wenig Schlachtvieh vorhanden gewesen sei. Einige Tage vorher fand auf dem Baumberg eine „Sonnenwendfeier“ statt. Der Musikverein Balve und ein Spielmannszug des RAD (Reichsarbeitsdienst) spielten abwechselnd. Am 10.7.1935 erschien erstmalig ein judenfeindlicher Artikel in der örtlichen Presse. Sie berichtete über eine Ansprache des RAD-Feldmeisters Kemper vor dem alten Rathaus, in der er die „Lösung der Judenfrage“ gefordert habe.

Nach einem Bericht der Hönnezeitung vom 13.7.1935 hatte der cand.phil. Franz Lenze sein Staatsexamen in Münster mit dem Prädikat „gut“ bestanden. Auf seiner ersten Referendarstelle am Schiller-Gymnasium in Dortmund machte Franz Lenze schon bald Bekanntschaft mit der Gestapo, weil er während des Unterrichts sich „kritisch“ mit Rosenbergs „Mythos des 20. Jahrhunderts“ auseinandergesetzt hatte.

Am 13.7.1935 verstarb Frau Josefa Cramer an einem Insektenstich. Die Beisetzung fand am 16. Juli statt.

Am 17.7.1935 fand für die jungen Männer von Balve die erste Musterung seit 1918 in Sundern statt. Der Musikverein Balve holte die Gemusterten kurz vor Balve ab und geleitete sie mit Marschmusik zur Stadtmitte. Von dort aus verteilten sich die künftigen Soldaten auf die einzelnen Gasthöfe, um ihre Musterung zu feiern. Sicherlich ahnte niemand, welchen schrecklichen Sinn dieser Tag in Bälde für sie haben würde.

Am 18.7.1935 traf Weihbischof Augustinus Baumann zu seiner Firmungsreise in Balve ein. Die Straßen der Stadt waren mit Fahnen und Girlanden festlich geschmückt. Der offizielle Empfang fand am Abend in der Pfarrkirche statt. Zu Ehren des Bischofs hatte tags zuvor ein „schwindelfreier“ junger Mann eine gelbe Kirchenfahne oberhalb des Kreuzes auf dem Kirchturm angebracht. Dies sollte sicherlich ein Zeichen des Bekenntnisses und eine Demonstration der Volksmeinung sein.

Nach einem Zeitungsbericht vom 27.7.1935 hatte die Kreisbauernschaft einige Tage zuvor die Bauern gewarnt, weiter mit Juden Handel zu treiben. Gegebenenfalls würden die Bauern mit Repressalien zu rechnen haben, wobei an die Verweigerung von Zuschüssen gedacht war. (…)

Am Sonntag, dem 8. September 1935, führten die „Arnsberger Schlossspiele“ im Rahmen einer KdF-Veranstaltung (KdF=Kraft durch Freude) in der Balver Höhle das Spiel „Der 18. Oktober“ auf. Dieses „völkische“ Spiel, wie es im Aufruf der Hönnezeitung hieß, zeigte die Tragik der Soldaten, die als Deutsche in den Armeen Napoleons gegen ihr eigenes Vaterland kämpfen mussten. Bei dem Hinweis an die Balver, dass diese „Höhlenspiele“ ein voller Erfolg werden müssten, wiesen die Veranstalter darauf hin, dass Theodor Pröpper bereits in den zwanziger Jahren mit den Höhlenspielen große Erfolge gehabt hätte und es darum gehe, diese Tradition mit Erfolg fortzusetzen. Sicherlich wird Theodor Pröpper damals diese Zeilen nicht gern gelesen haben, da er jede Art von NS-Kultur völlig ablehnte. Im Übrigen wurden – im Gegensatz zur Ankündigung – im folgenden Jahr die Höhlenspiele nicht fortgesetzt.

Am 15.9.1935 wurden die „Nürnberger (Rassen-) Gesetze“ verkündet. Mit ihrer Verabschiedung verstärkte sich der Kampf der NS-Machthaber gegen die jüdischen Mitbürger. Durch „Verbote“ und „Gebote“ wurden die Juden endgültig als „Menschen zweiter Klasse“ eingestuft. Durch immer neue Erlasse wurde das Leben der jüdischen Mitbürger immer unerträglicher gemacht. (…)

Wie sehr bereits 1935 die NSDAP gegen kirchliche Vereine „Front machte“, zeigt die Tatsache dass ein aktives Mitglied des St. Josefs-Vereins Balve am 11.10.1935 von der Ortsgruppenleitung der NSDAP die Mitteilung erhielt, dass die Mitgliedschaft im St. Josefs-Verein eine Mitgliedschaft in der NSDAP ausschließe. Er sei daher seiner Funktionen in der Partei enthoben worden und dürfe keine Uniform ertragen. Falls er die Mitgliedschaft im St. Josefs-Verein nicht aufkündige, würde er aus der Partei ausgeschlossen. Der Gemaßregelte entschloss sich, Mitglied des St. Josefs-Vereins zu bleiben, und teilte dies dem Kassierer der NSDAP mit, wodurch sein Parteiausschluss rechtskräftig wurde.

Nach 30-jähriger Tätigkeit als Dirigent des Musikvereins Balve verzog Johann Mesters 1935 von Balve nach Unna, von dort aus später nach Ennigerloh. Für kurze Zeit übernahmen Fritz Strohdeicher II und Ewald Pütter kommissarisch das Amt des Dirigenten, bis Anfang 1936 Anton Werth zum Dirigenten ernannt wurde.

Die kirchenmusikalische Andacht am 24.11.1935 war ein großer Erfolg für Theodor Pröpper und den Kirchenchor. Sie stand unter dem Motto „König ist Christus unser Gott“. Theodor Pröpper spielte Werke von J. S. Bach, Max Reger und S. Karg-Elert. Der Kirchenchor sang die schwierige Motette „Christus lebt“ von Theodor Pröpper, wobei er sich, wie die Hönnezeitung schrieb, selbst übertraf.

Am Sonntag, dem 8.12.1935, fand eine öffentliche Veranstaltung der NSDAP im Kohneschen Saale statt. Es sprachen Gauinspektor Dr. Teipel und Kreisschulrat Eickelmann über das Thema „Volk, Religion, Nation“, wobei sie die bekannten NS-Thesen verbreiteten, die bei dem Publikum wenig Anklang fanden. (…)

Im Übrigen wurden seit 1935 die Tätigkeiten der kirchlichen Vereine durch entsprechende Anordnung und Erlasse staatlicherseits erheblich eingeschränkt. Die kirchlichen Vereine durften nur noch rein religiöse Tätigkeiten – und zwar nur in kirchlichen Räumen – ausüben. Seit dieser Zeit fehlt auch jede Berichterstattung über Veranstaltungen kirchlicher Vereine in der Presse. Zuletzt hatte die Hönnezeitung über die große Wallfahrt der Kolpingsfamilie nach Köln zum Grabe Adolf Kolpings berichtet, die am Himmelfahrtstag 1935 stattfand und an der 70 Mitglieder aus Balve teilgenommen hatten. Die Theaterarbeit des St. Josefs-Vereins konnte nun auch nicht mehr fortgesetzt werden. Zum letzten Male hatten die Spieler der Theaterabteilung des St. Josefs-Vereins Anfang Januar 1935 mit der Aufführung des „Goldbauern“ die Bühne betreten und mit dieser Aufführung einen großen Erfolg erlebt.

Im Dezember 1935 und Anfang Januar 1936 hielt der Tod reiche Ernte. (…)

1936

Am 7.3.1936 – rechtzeitig vor den »Reichstagswahlen« – ließ Hitler die Entmilitarisierungszone des Rheinlandes von deutschen Truppen »besetzen«. Die Beseitigung dieser »Demütigung des deutschen Volkes« durch den Versailler Vertrag brachte Hitler weitere Sympathien, selbst bei manchen seiner Gegner, ein.

Die Helden Gedenkfeier am Sonntag dem 8.3.1936 wurde vom Musikverein mitgestaltet.

Am Sonntag dem 29.3.1936 fanden auch in Balve die „Wahlen“ für den deutschen Reichstag statt. Es konnte nur mit Ja oder Nein abgestimmt werden. Um 6:00 Uhr wurden die „Wähler“ mit Böllerschüssen und Musikvereins-Musik geweckt. Das Wahlergebnis in Balve: 1079 Ja, 11 Nein-Stimmen. Das Wahlergebnis war zweifelsohne kräftig „frisiert“ worden. Am 31.3.1936, am Dienstag nach dem Wahlsonntag, bewegte sich ein großer Fackelzug durch die Stadt. Im Pressebericht hieß es: „der Musikverein spielt flotte Märsche.“ Dass es sich nicht um eine freie, sondern um eine „Schau-Wahl“ handelte, geht aus der Hönnezeitung hervor, in der die Ja-Stimmen mit dem Begriff „für die Liste und damit für den Führer“ definiert wurden.

Mitte April 1936 (die Hönnezeitung berichtete darüber am 18.4.1936) setzte ein ungeheurer, tagelanger Schneefall ein. Das Schneetreiben soll bereits um den 15. bzw. 16. April eingesetzt haben. Die durch die starken Schneefälle in den Wäldern entstandenen Schäden waren so groß, dass man von einer „Schneebruch-Katastrophe“ sprach. Für den Holzeinschlag wurden schlesische Holzfäller und ab Juni österreichische SA-Männer eingesetzt. Das Verhältnis zwischen den einheimischen und der österreichischen SA war nicht das Beste. Dies zeigte sich unter anderem durch eine „handgreifliche Auseinandersetzung“ zwischen heimischen „SA-Leuten in Schützen-Uniform“ und der österreichischen SA in „SA-Uniform“ auf einem Schützenfest in der Nachbarschaft. Amtsbürgermeister Romberg musste nach diesen Tagen „einige Scherben“ beseitigen und die „feindlichen Brüder“ versöhnen, soweit dies „möglich war“. (…) Am Mittwoch dem 3.6.1936 trafen 130 SA-Männer aus Österreich in Balve ein. Die Presse wies in ihrem Bericht darauf hin, dass die SA-Männer in ihrer Heimat „verfolgt“ würden. Im gleichen Jahr trafen noch einmal 90 österreichische SA-Männer in Balve ein.

Im gleichen Tag fand in Balve, zentral für das ganze Amt Balve, ein „Jugendbekenntnistag“ der katholischen Jugend statt. Nachdem morgens um 7:00 Uhr bereits die Balver Jugend gemeinschaftlich zu heiligen Kommunion gegangen war, fand abends um 18:15 Uhr eine gemeinsame Bekenntnisstunde für alle Orte in der Pfarrkirche zu Balve statt. Die Hönnezeitung berichtete ausführlich über diese Jugendveranstaltung. Diese „Jugendbekenntnistage“ wurden im Übrigen in den folgenden Jahren mit großem Erfolg fortgesetzt. Die „neue“ und die „alte“ Kirche waren stets bis auf den letzten Platz besetzt.

Am 11. Juni 1936 fand die alljährliche Fronleichnamsprozession in Balve statt. Die Presse wies in ihrem Bericht darauf hin, dass sich das Wetter bis zum Schluss der Prozession gehalten und dass die ganze Gemeinde an der Prozession teilgenommen habe. Musikverein und Kirchenchor umrahmten die Prozession mit Musik und Gesang. Am Sonntag dem 28.6.1936 fand die Mittsommerprozession über den Husenberg unter Mitwirkung des Musikvereins statt. Die Hönnezeitung wies darauf hin, dass es sich nicht um eine Prozession zu Ehren des Heiligen Johannes, sondern des Pfarrpatrons Sankt Blasius handele, da am 24.6. eines Jahres im zwölften Jahrhundert die „translatio (reliquiarum) Sancti Blasii“, auf deutsch „die Überführung (der Reliquien) des hl. Blasius“ erfolgt sei. Dieser Artikel und viele andere während der NS-Zeit beweisen, dass es immer noch Artikelschreiber gab, die den Mut hatten auf kirchliche Fragen in der Hönnezeitung einzugehen. (…)

Durch die am 30. Juli bis 16. August 1936 in Berlin abgehaltenen „Olympischen Spiele“ konnte das NS-Regime seinen Ruf im Ausland „aufbessern“. Eine vorbildliche Organisationen, eine sehr gute Betreuung der Sportler und ihres Gefolges sowie der Journalisten und eine relative Zurückhaltung auf dem Sektor der Politik „waren bei den Ausländern gut angekommen“.

Am 8.8.1936 traf ein weiterer Sonderzug aus Dortmund ein. Der Musikverein holte die Gäste am Bahnhof ab.

Am Sonntag dem 16.8.1936 feierte Karl Gercken (Pater Richard) sein erstes heiliges Meßopfer. Der Musikverein brachte den Neupriester ein Ständchen.

Im August 1936 – die Hönnezeitung berichtete darüber am 22.08.1936 – wurde das Gebiet der Stadt Balve von neuem in „Zellen“ und „Blöcke“ eingeteilt und für die entsprechenden Gebiete zählen-und Blockwart ernannt. Nach dieser Einteilung hatte Balve zwei Zellen, die eine westlich, die andere östlich der Hauptstraße. Jede Zelle wurde wiederum in vier Blöcke aufgegliedert. Jede Zelle hatte einen Zellenleiter der NSDAP und drei Zellenwarte der DAF, der NSV und der NS-Frauenschaft und jeder Block einen Blockleiter und drei Blockwarte der gleichen Gruppen. Wenn man sich die Namen der Eingeteilten ansieht, kann man heute noch mit Fug und Recht sagen, dass bis auf einige Ausnahmen alle eingeteilten Parteigenossen „ruhige Vertreter“ waren, die die Weltanschauung der NSDAP kaum kannten, manche von ihnen konnten nicht einmal mit dem Wort „Weltanschauung“ etwas anfangen. Zu den Aufgaben der Eingeteilten gehörte nämlich vor allem die „Durchdringung der Bevölkerung“ mit der NS-Weltanschauung. Diese Veröffentlichung ist die einzige zwischen 1933 und 1942, die so präzise Angaben über die Struktur der NS-Partei in Balve vermittelt. Auch bei dieser Einteilung zeigte sich, dass die Ortsgruppenführer der Partei Gewicht darauf legte, dass ortsgebundene Balver Bürger, die kaum als „Scharfmacher“ anzusehen waren, diese Aufgaben wahrnahmen, um unnötigen Konflikten aus dem Wege zu gehen. Dass es dennoch solche Konflikte gegeben hat, dass es auch Denunziationen und Verhöre gab, ist ein Zeichen dafür, dass der Ortsgruppenleiter seine Informationen nicht nur von seinen Block- und Zellenleitern, sondern auch von anderen Personen, die keine offiziellen Ämter in der Partei innehatten, erhalten hat.

Anfang September 1936 traf ein weiterer Sonderzug mit 1000 Gästen in Balve ein. Der Musikverein begleitete ihn vom Bahnhof bis zur Stadtmitte.

Nach einer Mitteilung vom 26.9.1936 rügte der Ortsgruppenleiter der NSDAP den schlechten Besuch der letzten NS-Mitgliederversammlung und „noch andere Missstände“. Sicherlich ein Zeichen dafür, dass ein großer Teil der Mitglieder nur formal der NSDAP beigetreten war, ohne für sich daraus einen „Glaubensbekenntnis“ machen zu wollen.

Im Herbst 1936 übernahm Paul Wienand die Bahnhofsgaststätte Balve. Vor ihm hatte Frau Westhelle eine Zeitlang die neu eröffnete Gaststätte geführt. Paul Wienand hatte aus „politischen Gründen“ zunächst große Schwierigkeiten, mit der Deutschen Reichsbahn einen Pachtvertrag zu erhalten. (…)

Am 1.12.1936 wurde die Hitlerjugend zur „Staatsjugend“ erklärt. Jeder junge Deutsche bis zum 18. Lebensjahr „sollte der Staatsjugend angehören“. Nur wenige traten ihr nicht bei. Ein geringer Prozentsatz hatte den Mut, seinen Austritt zu erklären. Es gab jedoch auch „Ausschlüsse“ für den Fall, dass trotz ständiger Mahnungen die Beiträge nicht entrichtet oder die „Pflichten eines Hitlerjungen“ nicht erfüllt wurden (regelmäßiger Besuch der Veranstaltung usw.).

Am 15.12.1936 verstarb unsere jüdische Mitbürgerin Frau Henriette Bondy, geborene Rosendahl im Alter von 61 Jahren. Trotz der Diffamierungskampagne der NS-Partei gegen die Juden nahm eine große Gruppe Balver Bürger, vor allem Frauen, an der Beerdigung teil, die, soweit sie Mitglied einer NS-Ordination waren, deswegen anschließend von der Partei gerügt wurden. Auch Frau Thiemann, Mitglied der NS-Frauenschaft – ihr Mann war 1936 noch Ortsgruppenleiter – musste sich dieserhalb verantworten. Sie erklärte: „Frau Bondy war seit vielen Jahren meine Freundin, und es ist üblich, einer Freundin die letzte Ehre zu erweisen“. (…)

1937

Am 13. Februar 1937 berichtete die Hönnezeitung unter anderen, dass in Balve seit einigen Tagen die „Braune Schwester“ Lydia tätig sei. Die NS-Partei, hart und unerbittlich in der Verfolgung ihrer politischen Gegner und der jüdischen Bevölkerung, wollte durch diese „karitative“ Tätigkeit über den wahren Charakter ihrer Ideologie hinwegtäuschen.

In den frühen Morgenstunden des 26.3.1937 (Karfreitag) wurden der Kreuzweg und die Piuskapelle von frevlerischen Händen geschändet. Die Hönnezeitung berichtete hierüber am 3. April 1937, nachdem bereits andere Tageszeitungen ausführlicher hierüber geschrieben hatten. Unter der Überschrift „Schurkerei“ hieß es wie folgt in der Hönnezeitung: „Wie schon in auswärtigen Zeitungen berichtet, drangen unbekannte Täter nachts in die Piuskapelle ein, wo sie allerlei Sachen stahlen oder beschädigten. Die Schurken haben sich nicht einmal gescheut, an fünf am Wege stehenden Stationen und einem Kreuze Verwüstungen anzurichten.“ Die katholische Pfarrgemeinde Balve schaltete aus Anlass der Kreuzschändung am 1. Oster-Nachmittag einen Trauergottesdienst mit anschließender Sühneprozession zum großen Kreuz auf dem Schieberg. Im Übrigen hatte am Karsamstag eine Passionsfeier stattgefunden, die vom Kirchenchor mitgestaltet worden war. Auf der Suche nach den Tätern „verirrten“ sich Polizei und Gestapo zu Pfarrer Boeddicker, Theodor Pröpper und anderen Balver Bürgern. Sie machten dort Hausdurchsuchungen und ließen sich die Schuhe zeigen, als wenn möglicherweise die „Vertreter der Kirche“ selbst die barbarische Tat begangen hätten. Man wollte von den wahren Tätern ablenken. Als ihnen Theodor Pröpper jedoch seine großen Schuhe (Nr. 47) zeigte, sah sogar die Gestapo ein, dass sie einer falschen Spur nachgegangen war.

Am Donnerstag, dem 1. April 1937, beging Hauptlehrer Josef Röhren sein 40-jähriges Lehrerjubiläum. Der Musikverein – fast alle Musiker waren seine Schüler – brachte ihm ein Ständchen. Der Jubilar spielte auch während der NS-Zeit – trotz seiner Mitgliedschaft in der NSDAP – die Orgel zum Gottesdienst in der Balver Pfarrkirche, falls Theodor Pröpper durch Krankheit oder durch den Besuch einer „Kirchenmusiker-Tagung“ verhindert war, was im Übrigen selten vorkam.

Lehrer Ernst Wassermeier blieb trotz seiner Weigerung, der NSDAP beizutreten, weiterhin im Amt. Auch bei seinen „Doppelkopf-Freunden“, die allesamt der Partei beigetreten waren, blieb er „persona grata“. Es wurde weiter „gemeinsam gespielt“, entweder im Hinterzimmer des Hotels Kohne oder „bei Sauers“ (Höhlenrestaurant). (…)

Um 21.4.1937 berichtete die Hönnezeitung über eine Versammlung des Balver Schützenvereins. Danach trat der Schützenverein Balve dem „Deutschen Schützenverband“ bei und wurde somit „gleichgeschaltet“. Kaufmann Franz Krüdewagen wurde erneut zum ersten Vorsitzenden gewählt. Nach den neuen Statuten war der Verein gehalten, ab sofort eine Schießgruppe einzurichten. (…)

Vom 14. Mai 19.7.1930 feierte Karl Hesse sen., „Opa Hesse“, die Vollendung seines 80. Lebensjahres. Die Zeitung schrieb, dass Karl Hesse bereits als zwölfjähriger Junge seinem Vater als Totengräber geholfen habe und auch jetzt noch im hohen Alter seinem Sohn bei dessen Tätigkeit als Totengräber behilflich sei.

In den Sommermonaten des Jahres 19.7.1930 war aus dem Schieberg wiederholt der Gesang einer Nachtigall zu hören, woran sich heute noch viele ältere Mitbürger erinnern. (…)

Am Sonntag dem 4.7.1937 traf ein weiterer Sonderzug, diesmal aus Essen, am Balver Bahnhof ein und wurde vom Musikverein Balve begrüßt und zur Stadt geleitet.

Am Mittwoch dem siebten siebte 1937 hielt die Molkereigenossenschaft in der Balver Höhle ihre Generalversammlung ab. Abends spielte der Musikverein Balve zum Tanz auf.

Am Sonntag dem 11.7.1937 traf ein Sonderzug aus Dortmund mit 1000 Teilnehmern in Balve ein, am 17. Juli kamen zwei Sonderzüge und vom 20. Juli ein weiterer Sonderzug aus dem Industriegebiet nach Balve. Die Sonderzug-Teilnehmer wurden mit Marschmusik vom Musikverein nach Balve geleitet.

Wie politisiert das tägliche Leben war, zeigt die Tatsache, dass am Sonntag, dem 25.7.1937, stattgefundene Generalversammlung des Balver Ziegenzucht-Vereins auch mit einem dreifachen „Sieg-Heil“ auf den „Führer“ geschlossen wurde.

Am Freitag, dem 6. August 1937, führte in der evangelischen Kirche eine kirchliche Laienspielgruppe aus Köln das religiöse Laienspiel „Der Ruf“ auf. Ca. 20 Schüler und Schülerinnen einer höheren Schule legten mit diesem Spiel ein Zeugnis ihres Glaubens ab.

Am 11. August 19.7.1937 wurde der verstorbene Oberlandesgerichtsrat Josef Cramer zu Grabe getragen. Musikverein und Kriegerverein begleiteten ihn auf seinem letzten Wege.

Am Sonntag, dem 15. August 1937, feierte der Musikverein ein großes Musikfest in der Balver Höhle. Die Hönnezeitung berichtete eingehend hierüber und erwies dem Musikverein ihre besondere Reverenz. Sie schrieb unter anderem: „Schon am Morgen hatten die braven Musiker der Tradition gemäß im Zylinderhut vor der Sparkasse (heute Wassmuth) ein Konzert veranstaltet. Hierbei konnte man als Erfolg der in der letzten Zeit verdoppelten Übungsstunden eine erhebliche Formverbesserung der Kapelle feststellen. Nach einem Umzug durch die Straßen der Stadt ging es nachmittags zur Höhle, wo sich bald ein festliches Treiben entwickelte. Das dargebotene Programm war gut gewählt und fand ungeteilten Beifall. Auch der mitwirkende Musikverein Werdohl überraschte wegen seiner vorzüglichen Leistungen. Die unter anderen Musikstücken meisterlich vorgetragene Ouvertüre „Dichter und Bauer“ und das „Soldaten-Potpourri“ lösten große Beifallsstürme aus. Gegen 18:00 Uhr spielte unsere Balver Kapelle zum Tanze auf, wovon die Jugend ausgiebigen Gebrauch machte“.

In einem Artikel zur Vorankündigung des Musikfestes hatte die Hönnezeitung am 11. August 1937 eine Aufstellung über die Anschaffung neuer Instrumente gebracht, die mit einem Gesamtkostenaufwand von Reichsmark 1.340,- aus der Vereinskasse zu bestreiten waren. Da der Verein seine Arbeit nicht allein aus den Beiträgen der Mitglieder finanzieren könne, bat die Hönnezeitung die Bevölkerung, möglichst zahlreich zum Fest zu erscheinen, um mit dem Eintrittsgeld den Musikverein zu unterstützen, zumal derselbe bei „politischen“ und „kirchlichen Veranstaltungen“ ohne jedes Entgelt spiele. (…)

Am 5.9.1937 wurde in der Pfarrkirche Sankt Blasius das „Spiel von den klugen und törichten Jungfrauen“ von Johannes Büchner aufgeführt. Am gleichen Tage verstarb Wilhelm Westhelle sen., letzter Balver Veteran von 1870/71. Seine Beisetzung fand auf dem Friedhof in Deilinghofen statt. Der Kriegerverein und der Musikverein gaben ihm das letzte Geleit.

Am 3. Oktober 1937 fand wieder das Erntedankfest statt. Während 1936 der Erntedanktag mit einem gemeinsamen Gottesdienst aller Formationen und Teilnehmer begonnen hatte, entfiel ab 1937 der Festgottesdienst. Der Tag wurde durch das Wecken eingeleitet. Der Musikverein gab um 11:00 Uhr ein Platzkonzert, nachmittags war Festzug mit Erntewagen und Musik. Sicherlich wird auch an diesem Tag ein Dankhochamt oder eine Dankandacht gewesen sein. Die Veranstalter nahmen jedoch zum ersten Male Abstand davon, dieses in ihr Programm aufzunehmen. Jeder spürte und ahnte seit langem, dass die NSDAP ihre ablehnende Haltung gegenüber der Kirche mehr und mehr offen zu zeigen begann. Es hatte die Zeit begonnen, in der Theodor Pröpper in der Kirche durch das Lied „die Feinde deines Kreuzes droh´n, dein Reich, Herr, zu vernichten“ auf die Stunde hinwies, die seit langem geschlagen hatte.

Die 25-Jahr-Feier der Kolpingsfamilie Balve, gegründet am 6.10.1912, konnte 1937 nur in der Pfarrkirche gefeiert werden. Morgens war gemeinsame Eucharistiefeier. Am Abend wurde in einer Feierstunde in der Kirche ein „Christkönigs-Spiel“ aufgeführt. 1936 hatte die Kolpingfamilie noch geschlossen an einer Wallfahrt nach Werl teilgenommen. Der St. Josefs-Verein setzte auch in den nachfolgenden Jahren sein „Bekenntnis“ zu Christus immer wieder durch Gebet und interne religiöse Jugendarbeit fort. (…)

1937 konnte – auch in Balve – der Aufbau der NSDAP und ihrer Gliederungen als abgeschlossen betrachtet werden. HJ, BDM, SA, DAF, NSV, NS-Lehrerbund, NS-Beamtenbund, NS-Rechtswahrerbund und andere hatten auch in Balve ihre örtlichen Gliederungen oder zumindest Einzelmitglieder. Über die Tätigkeit der SS liegen seit 1934 keine Informationen aus Balve vor. Wahrscheinlich waren einzelne Mitglieder der SS aus Balve einer auswärtigen SS-Gruppe angeschlossen. Die Partei (NSDAP) hatte einen relativ hohen Mitgliederstand erreicht. Dazu hatten sicher viele Faktoren, unter anderem auch die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, die Durchführung einer Reihe von Entschuldungsverfahren (beim Mittelstand und in der Landwirtschaft), das „Erbhof-Gesetz“, die „Heimkehr des Saargebietes ins Reich“, das deutsch-britische Flottenabkommen (1935), der Einmarsch der deutschen Truppen in die „Entmilitarisierung Zone des Rheinlandes“ (1935), die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht (1935) und die Berliner Olympiade (1936) beigetragen. Es gab nun in Balve überall eine „zwei Klassen-Gesellschaft“, die „Parteigenossen“ und die „Volksgenossen“, wobei die letzteren von der Partei in „Laue“ und „Gegner“ eingeteilt wurden. Im Sauerland wurden die Gegner allgemein als „Schwarze“ bezeichnet. Die „Gegner“, darunter die Geistlichkeit und solche Personen die dem Klerus die Treue hielten, wurden „beobachtet“.

Schon damals wurden Predigten „mitgehört“ und „notiert“. Vor allem wurde darauf geachtet, ob nach der Verlesung von Hirtenbriefen die örtlichen Geistlichen „zusätzliche Äußerungen“ machten oder „persönliche Erklärungen“ abgaben. Auch in den Versammlungen der NSDAP und ihrer Gliederungen kam es mir nunmehr vor, dass auswärtige Redner gegen „die Kirche hetzen“, wie es der Volksmund damals ausdrückte: Bei einer solchen Veranstaltung im Kohneschen Saal verließen damals einige Mitglieder des Musikvereins (unter anderem Theodor Ruschepaul und Theodor Steinweg). Bereits 1935 bzw. 1936 hatten mehrere Balver Bürger (unter anderem Dr. August Kirchhoff und Amtsgerichtsrat Paul Börger) eine ähnliche Veranstaltung verlassen.

Auch bei der HJ wurden 1937 oder 1938 im Herbst bei einer Versammlung in der „Röhrenschen Klasse“ der damaligen Johannisschule vom Bannführer aus Arnsberg gegen die Kirche „gewettert“. Einige Mitglieder verließen daraufhin die Veranstaltung. Persönliche Folgen sind für die Beteiligten im Allgemeinen nicht eingetreten. Jedoch gab es Ausschlüsse und Austritte aus der Partei oder einer ihrer Gliederungen. Für Lehrlinge, Angestellte und Beamte im örtlichen Dienst, für künftige Abiturienten und Hochschüler war es jedoch ohne eine Mitgliedschaft in der Partei oder in einer ihrer Gliederungen schwierig, „weiterzukommen“. Eine besonders hässliche Hetze gegen die Kirchen entfaltete damals der „Schulungsbrief“ der NSDAP. Der „Stürmer“, der auch bei uns zeitweilig einen Aushängekasten hatte, betrieb eine so infame Judenhetze, dass kaum noch Passanten stehen blieben, um den „Stürmer“ zu lesen. Viele hätten sich geschämt, beim Lesen solcher Zeilen gesehen zu werden. Im Übrigen wurde seitens der Parteileitung auch manchem Parteigenossen Misstrauen entgegengebracht, denn es war der Ortsgruppenleitung nicht unbekannt, dass viele Parteigenossen zwar ab und an die „braune Uniform trugen“, tief im Herzenskämmerlein „aber schwarz geblieben waren“. (…)

In einer kirchenmusikalischen Feierstunde am 8. Dezember 1937 spielte Theodor Pröpper, wie die Hönnezeitung ankündigte, hervorragende Werke verschiedener Komponisten. Um Störungen zu vermeiden, waren die Kirchentüren ab 20:00 Uhr geschlossen. (…)

1938

Zum Jahresbeginn, Punkt 0:00 Uhr Mitternacht, wurde die alljährlich das „Neue Jahr“ gesungen. Eine Gruppe junger Männer (St. Josefs-Verein) ging von der Kirche aus durch die Straßen der Stadt, um mit den bekannten Neujahrsliedern den Bürgern eine Freude zu bereiten. In ihrem Bericht wies die Hönnezeitung darauf hin, dass früher zwei Nachtwächter diese Aufgabe wahrgenommen hätten.

Bemerkenswert und daher auch in diesem Buch erwähnenswert ist die Tatsache, dass in den dreißiger Jahren fünf Balver, davon drei aus einer Familie, zum Dr. med. promovierten: Karin Allhoff(1932), Ernst Allhoff (1935), Heinrich Allhoff (1937), Paul Grüning (1937) und Engelbert Stüecken (1943). (…)

Die Monate März und April 1938 standen auch in Balve unter dem Eindruck des Einmarsches der deutschen Truppen in Österreich. Der sogenannte Anschluss Österreichs an das Reich und der Tag des „Großdeutschen Reiches“ wurden mit Fackelzügen, Aufmärschen und Musik gefeiert. Diese Ereignisse ließen wegen ihrer Zwiespältigkeit auch bei vielen Balver Bürgern keine sonderliche Freude aufkommen. (…)

Am 19.3.1938 veranstaltete die NSDAP eine weitere „Aufklärungsversammlung“. Es sprach der Kreisleiter Dr. Teipel über „weltanschauliche Fragen“, wobei er vor allem gegen den „politischen Konfessionalismus“ und den bekannten Jesuitenpater Dr. Muckermann zu Felde zog (Pater Friedrich Muckermann SJ und sein Bruder Hermann Muckermann SJ (später Weltgeistlicher) waren beide entschiedene Gegner des Nationalsozialismus. Pater Hermann Muckermann bekämpfte vor allem die nationalsozialistische Rassenpolitik).

Am 10.4.1938 fand wiederum eine „Reichstagswahl“ statt, bei der nur mit Ja oder Nein abgestimmt werden konnte. Das Balver Ergebnis: 1149 Ja, elf Nein-Stimmen und sieben ungültige Stimmen spricht für sich. Es beweist erneut, dass das Stimmergebnis im Grunde genommen bereits vorher feststand. (…)

Am 20.5.1938 berichtete die Hönnezeitung über eine Sitzung des Verkehrsvereins, wonach 1938 in Balve 1609 Gäste mit 10.019 Übernachtungen, 1936 hingegen 2232 Gäste mit 10.120 Übernachtungen weilten; hierin waren die Tagesgäste (Sonderzüge) und die Erholungsgäste im Krankenhaus nicht enthalten.

Am 1.6.1938 veröffentlichte die örtliche Presse den Inhalt des Reichsflaggengesetzes, wonach die Bürger – auch bei kirchlichen Feiern – die Reichs-und Nationalflagge hissen mussten. Auch Kirchenfahnen und Girlanden durften nicht mehr auf privaten Grundstücken gezeigt werden. Lediglich auf kirchlichen Grundstücken war es weiterhin gestattet, Kirchenfahnen zu zeigen.

Am 19.6.1938 fand die von Leichnamsprozession unter großer Beteiligung um den Husenberg statt. Um die Kirche herum standen über 100 Kirchenfahnen. Dies war sicher auch eine Reaktion auf das sogenannte Reichsflaggengesetz. Die Privatleute verzichteten auf Fahnen, errichteten dafür in größerem Umfang als bisher Altärchen vor ihren Häusern. (…)

Am 26.6.1938 war die Mitsommerprozession. Sie nahm den gleichen Weg wie die Fronleichnamsprozession. Die Fronleichnams- und die Mitsommerprozession erfreuten sich einer überaus großen Teilnahme der Gläubigen. Der Musikverein gab den Prozessionen einen würdigen musikalischen Rahmen. Der Kirchenchor sang an den einzelnen Stationen. (…)

Am 13.7.1938 berichtete die Balver Presse über einen Beschluss des Musikvereins Balve, seine Tätigkeit aus „finanziellen Gründen“ einstellen zu wollen: „Alle Veranstaltungen werden ehrenamtlich, d.h. ohne Bezahlung wahrgenommen; die Spieler müssen die Kosten für ihre Instrumente selbst tragen.“

Zum Schützenfest in Balve vom 16. bis 18.7.1938 spielte das Musikkorps des Schützenregiments 4 aus Iserlohn. Der Schützenverein hielt – trotz Gleichschaltung – an seiner alten Tradition, am Montagmorgen einen Schützengottesdienst abzuhalten, fest. (…)

Im September 1938 (15.09 und 20.09) kam zweimal der „Gläserne Zug“, einmal aus Duisburg bis Sanssouci, einmal aus Köln bis Binolen ins Hönnetal.

Am 29.9.1938 fand in München ein Treffen zwischen dem französischen Ministerpräsidenten Daladier, dem britischen Premierminister Chamberlain, den deutschen Reichskanzler Hitler und dem italienischen Ministerpräsidenten Mussolini statt es wurde an diesem Tag das sogenannte »Münchner Abkommen« unterzeichnet, wonach das »Sudetenland« an Deutschland fiel. Wieder konnte Hitler einen außenpolitischen Erfolg erzielen, ohne dass die westliche Welt ihm Widerstand leistete. Chamberlain kehrte nach England zurück und verkündete dem britischen Volk: »wir haben den Frieden gerettet! Am 1. Oktober 1038 marschierte die deutsche Wehrmacht im Sudetenland ein.

Zum Erntedankfest in Balve am 2.10.1938 war um 6:00 Uhr Wecken durch den Musikverein Balve, elf bis 12:00 Uhr Platzkonzert, ab 15:00 Uhr Festzug, später Tanz bei Kohne. Es spielte wieder der Musikverein Balve: Der Auflösung Beschluss schien überholt zu sein. Wer weiß, ob nicht auch andere als finanzielle Gründe eine entscheidende Rolle gespielt haben. Aber das Leben ging weiter.

Am 2.11.1938 berichtete die Zeitung, dass der nach Kanada verzogene frühere Balver Bürger Schulz (Krummpaul) dem Balver Heimatmuseum einen 6 kg schweren Mammutzahn geschenkt habe.

In der berüchtigten „Reichskristallnacht“ (9.11.1938) blieb die Wohnung des Balver jüdischen Mitbürgers David Bondy unbeschädigt, da die Balver SA-Männer sich geweigert hatten, ihrem eigenen Mitbürger dieses Leid anzutun. Einige Tage später – wahrscheinlich am 11.11.1938 – kamen zwei auswärtige SA-Männer, die das schändliche Werk der Zerstörung fremden Eigentums und der Schmähung eines Menschenbruders durchführten. Einige Dutzend Balver Bürger waren zusammengeeilt, konnten aber nur zähneknirschend zusehen, wie die braunen Schläger „ihr Werk vollbrachten“. Als Vikar Drilling erbost „Unerhört!“ dazwischen rief, gab ihm einer der SA-Männer zur Antwort: „Warte nur, bald bist du auch dran!“ Heinrich Falke, der mit Engelbert Gercken, Theodor Berken, Vikar Drilling und anderen zum Zeugen diese Ereignisse wurde, erinnert sich, dass unser Mitbürger David Bondy, nur mit Hemd und Hose bekleidet, von einem Polizeibeamten „mehr zu seinem Schutz“ abgeführt wurde. Auf dem Amt soll er von Amtsinspektor Wiesemann erst einmal eine warme Jacke erhalten haben. Auch Amtsbürgermeister Romberg, so berichtete David Bondy am nächsten Tag, soll ihn „korrekt“ behandelt haben.

Am 20.11.1938 verstarb 78-jährig Theodor Berken sen. Krieger- und Musikverein gaben ihm am 24. November das letzte Geleit.

Am 5.12.1938 sprach auf einer NS-Versammlung der Gauredner Dr. Collin über das Thema „Juda – Pest der Welt!“ An dieses Referat werden sich viele ehemalige Versammlungsteilnehmer nicht gerne erinnern.

Im Herbst 1938 übernahm Josef Mertens, Kormke, als Nachfolger von Heinrich Falke den Vorsitz im St. Josephs-Verein. Er hatte wie sein Vorgänger oft Schwierigkeiten und wurde mehrfach vom Amtschef oder von der Gestapo verhört. Unter anderem war verboten, im Josefsverein „weltliche Lieder“ zu singen oder „weltliche Spiele“ zu veranstalten. Der Verfasser erinnert sich, dass der Vorsitzende des Josefsvereins einmal sich eine Rüge des Amtschefs zuzog, weil nach einem religiösen Heimabend „Schinkenklopfen“ (eine „weltliche Veranstaltung“) stattgefunden habe.

Am Silvesterabend 1938 feierte der SGV sein Familienfest. Hauptlehrer Josef Röhren erhielt für 40-jährige Mitgliedschaft die goldene, Theodor Hörster für 25-jährige Mitgliedschaft die silberne Ehrennadel. Nach dem offiziellen Teil blieb man noch einige Stunden bei Musik und Tanz zusammen. Um Punkt 12:00 Uhr Mitternacht sprach man sich gegenseitig die besten Neujahrswünsche aus und sang gemeinsam „Wir wünschen euch, euch wünschen wir ein glückseliges neues Jahr“. Zum Selbstkostenpreis von Reichsmark 0,20 wurden Balver Brezel angeboten, die als ein gutes Omen für das neue Jahr angesehen wurden. Es wurden 75 Brezel verkauft.

1939

1939 hatte Balve 1913, das Amt Balve 7573 Einwohner. Balve hatte somit gegenüber 1933 um 162, gegenüber 1905 um 747 Einwohner zugenommen.

Am 4.1.1939 veröffentlichte die Hönnezeitung einen Artikel zum Dreikönigstag (6. Januar) mit der Überschrift „C – M – B“, was jedoch ein Irrtum war. Die drei Buchstaben bedeuten: „Christus mansionem benedicat“ (Christus möge dieses Haus segnen). Im Übrigen wurden in diesem Artikel christliche und heidnisch-germanische Vorstellungen verbreitet; nicht nur die Hl. Drei Könige, sondern auch Wodan und der „Hohneujahrstag“ wurden mehrfach zitiert.

Am 8.1.1939 veranstaltete die HJ um 10:00 Uhr morgens (während des Hochamtes) eine wichtige Besprechung in der Schule. Im Übrigen häuften sich im Laufe der Zeit solche Vorfälle, weil die HJ-Führung anscheinend den sonntäglichen Gottesdienstbesuch ihrer Mitglieder erschweren wollte. (…)

(…Mitteilungen über diverse Veranstaltungen – Tanz, Gottesdienste, Kappenball, Familienfeiern – folgen).

Am 1.3.1939 trafen sich unter Führung des Landeshauptmanns Kolbow führende Behördenvertreter (Provinz und Regierung) im Hotel Kohne in Balve, um über die Verwendung der Luisenhütte zu beraten. Es wurde beschlossen, die Luisenhütte als Museum einzurichten. (…)

Am 19.3.1939 marschierten deutsche Truppen in der Tschechoslowakei (Böhmen und Mähren) ein. Die NSDAP veranstaltete einen Fackelzug durch Balve, an dem außer den Gliederungen der Partei auch die Feuerwehr unter Musikverein teilnahmen. Nach dem Fackelzug fand im Saale Kohne ein gemütliches Beisammensein statt. Der Musikverein spielte „flotte Märsche“. Aber auch im „schwarzen Balve“, wie es allgemein genannt wurde, sprach man insgeheim darüber, dass man nicht mehr davon ausgehen könne, dass Hitler seine Zusagen, die er den Unterhändlern der Westmächte anlässlich des Münchener Abkommens 1938 (Angliederung des Sudetenlandes an das Deutsche Reich) gegeben hatte, künftig einhalten würde. In kleinen, vertraulichen Zirkeln wurde offen ausgesprochen, dass schon bald die „Lösung“ der Korridorfrage mit Polen den Ausbruch des Krieges bedeuten würde; in vielen Häusern ging die Kriegsangst um. (…)

Am Ostersonntag dem 9.4.1939 spielte der Musikverein beim Abbrennen des Osterfeuers. Auch das Kreuz auf dem Schieberg wurde an diesem Abend wieder angestrahlt.

In der letzten Ausgabe vor Ostern hatte die Hönnezeitung die Ankündigungen der katholischen Gottesdienste veröffentlicht, während im Übrigen kirchliche Nachrichten immer seltener bekannt gemacht wurden.

Am Abend des ersten Ostersonntags fand im Gasthof Sauer eine Tanzveranstaltung bei freiem Eintritt statt. Am Samstag dem 8.4.1939 hatte das Café Cordes „eröffnet“.

Am Dienstag nach Ostern, 11.4.1939, wurde auf dem „Balver Viehmarkt“ ein reger Umsatz getätigt. Auch Ferkel wurden, je nach Alter, in allen Preislagen gehandelt.

Am 20.4.1939 wurde – auch in Balve – der Geburtstag des „Führers“ gefeiert. Die Presse hatte darum gebeten, bereits einen Tag vorher zu flaggen. Am Morgen des 20.4.1939 wurde bereits um 7:00 Uhr durch den Musikverein „geweckt“. Abends um 20:00 Uhr marschierten die Gliederungen der NSDAP in den Kohneschen Saal, wo eine offizielle Feierstunde stattfand. Danach spielte der Musikverein Balve, vor allem für die tanzfrohe Jugend, zum Tanze auf. Nach dem Bericht der Hönnezeitung war der Saal Kohne an diesem Abend „brechend voll“.

Am 1.5.1939, am „Tag der Arbeit“, wurde nach dem üblichen Festzug abends im Hotel Kohne zum Tanz aufgespielt. Im Festzug und zum Tanzabend spielte der Musikverein Balve, der bereits um 6:00 Uhr morgens die Balver „geweckt“ hatte.

Für den Himmelfahrtstag am Donnerstag, dem 18.5.1939, erschien am 17. Mai ein Artikel in der Ortspresse, in dem auf den üblichen „Wandertag vor Pfingsten“ hingewiesen wurde. Der Artikel Schreiber sprach in diesem Zusammenhang von den „Gottsuchern“, ob sie nun in der Kirche oder im Wald ihrem Schöpfer begegneten. Die „Gottesbegegnung“ in der Natur entsprach den verschwommenen Gottesvorstellungen vieler NS-Anhänger. (…)

Am 10.6.1939 kamen zwei Sonderzüge mit insgesamt 2500 Gästen aus Bochum nach Balve. Der Musikverein geleitete sie mit Musik vom Bahnhof in die Stadt.

Am 8.6.1939 fanden die Fronleichnams- und am 25.6.1939 die Mitsommerprozession unter großer Beteiligung der Bevölkerung statt. Immer mehr Menschen wollten ein Zeugnis für ihren Glauben ablegen. Der Kirchenchor sang an den einzelnen Stationen, und der Musikverein spielte im Wechsel mit dem Gesang der Gläubigen. Die Fronleichnamsprozessionen fanden von 1939-1944 unter erschwerten Bedingungen statt, da ab 1939 der Fronleichnamstag nicht mehr zu den gesetzlichen Feiertagen gehörte. Sie sollen daher in einigen Jahren nur durch einen Umgang um die Kirche bzw. am folgenden Sonntag veranstaltet worden sein. Da das Pfarrarchiv aus dieser Zeit fehlt, sind genaue Angaben hierüber nicht möglich. (…)

Zum Schützenfest in Balve vom 15. bis 17.7.1939 stellte die Fliegerhorstkapelle Werl die Musik. Wegen der laufenden Ausgrabungen in der Balver Höhle mussten die Grabungsstellen mit entsprechend starken Bohlen und Brettern abgesichert werden. Zur Einstimmung auf das Fest brachte die Hönnezeitung das Gedicht:

Wer kennt in Deutschland eine Stadt,
die einen solchen Saalbau hat?
Nicht Gürzenich, nicht Fredenbaum
erreichen ihn an Flächenraum.
Den Saal, von Menschen nicht gemacht,
hat Gott gefacht und auch bedacht.
Drum bildet er in aller Welt
wohl auch das schönste Schützenzelt.

Aus der Hönnezeitung ist ersichtlich, dass es damals nur zwei Kompanien gab: die „Junggesellenkompanie“ und die „Verheiratetenkompanie“. Am Montag wurde Bernhard Berken Schützenkönig, der sich Frau Hilde Gercken zur Königin nahm.

Am 20.7.1939 veranstaltete die Molkerei ihre Generalversammlung in der Balver Höhle. Nach dem offiziellen Teil blieb man bei Frohsinn und Tanz noch lange beieinander. Es spielte der Musikverein Balve.

Zur Generalversammlung des Bullenhaltungs-Vereins Ende Juli 1939 spielte nach der Versammlung die Musikkapelle Balve in der Höhle zum Tanze auf. Vorher war eine Tierschau.

Am 23.7.1939 und am 6.8.1939 trafen weitere Sonderzüge aus dem Ruhrgebiet in Balve ein. (…)

Anlässlich der Abrechnung des Schützenvereins am 20.8.1939 spielte der Musikverein zum Tanze auf. Im Verlauf des Abends trug ein Schützenbruder das Gedicht vom „Schneider und der Geiß“ vor. Dazu spielte die Kapelle „Du munteres Rehlein, du“. Dieser Vorgang löste allgemeine Heiterkeit aus und hatte, wie die Hönnezeitung bemerkte, einen Zusammenhang mit Ereignissen auf dem Schützenfest.

Am 1.9.1939 brach der Zweite Weltkrieg aus. Der Krieg, der mit seinen schrecklichen Folgen in ganz Europa und der Welt über fünf Jahre lang wütete, ließ keinen Raum für fröhliche Feiern und Feste. An ihre Stelle traten Tod und Trauer. Der „Feldzug“ gegen Polen war nach 18 Tagen beendet, das Land war verwüstet und die polnische Armee besiegt. Auf beiden Seiten waren viele Opfer zu beklagen. Hitler rühmte sich nach dem schnellen Feldzug: „Mit Mann und Roß und Wagen hat sie der Herr geschlagen!“ Dieser Satz offenbarte die ganze Hybris eines Mannes, der wenn er von der „Vorsehung“ sprach, möglicherweise sich selbst meinte.

Dr. August Kirchhoff befand sich am Tage des Kriegsausbruchs auf einer Reise (mit Wohnwagen!) Im Schwarzwald. Er wurde über den Rundfunk aufgefordert, sich sofort nach Hause zu begeben. Anschließend trat er seinen Dienst als Truppenarzt an, der ihn zunächst nach Elbing, später nach Krakau führte, wo er zuletzt als Oberfeldarzt tätig war. Mit dem Näherrücken der russischen Truppen wurde das Lazarett in Krakau aufgelöst. Dr. Kirchhoff kehrte im November 1944 nach Balve zurück und nahm seine Tätigkeit als Belegarzt im Krankenhaus und in seiner eigenen Praxis wieder auf. Er wurde nach dem Kriege „Chefarzt des St. Marien-Hospitals“. Beim Einmarsch der Amerikaner zeigte er sich den GI´s, als sie sein Haus kontrollieren wollten, im „weißen Arztkittel“. Die Soldaten wurden höflich und sahen von einer Kontrolle ab. Kurze Zeit darauf wurde das Haus Kirchhoff jedoch von den Besatzungstruppen beschlagnahmt. Familie Kirchhoff wohnte während dieser Zeit in dem der Kirchengemeinde gehörenden „Haus Dr. Menne“. Vom 20.2.1941 bis 1.11.1944 – mit einer Unterbrechung von einem Jahr (Kriegsdienst) von 1942 auf 1943 – vertrat Dr. Josef Tuschen als „Belegarzt und Operateur“ seinen Kollegen Dr. Kirchhoff im Balver Krankenhaus. Dr. Tuschen betreute im Übrigen die Praxis von Dr. Hugo von Bömmel, der zur Wehrmacht eingezogen war und aus dem Kriege leider nicht zurückkehrte.

Auch Dr. Hans Menne wurde sofort mit Kriegsbeginn als Heereszahnarzt eingezogen. Er hatte zuletzt den Rang eines Stabsarztes. Dr. Menne geriet 1945 in englische Gefangenschaft, aus der er erst 1946 zurückkehrte.

Am 13.9.1939 berichtete die Ortspresse über den rüstigen Fortschritt der Ausmalungsarbeiten in der Kirche. (…)

Am 28.10.1939 wies die Industrie-und Handelskammer in einem Bericht der Hönnezeitung auf die Tatsache hin, dass der Allerheiligentag kein gesetzlicher Feiertag sei und daher an diesem Tage voll gearbeitet werden müsste. Es sei nicht zu vertreten, dass einzelne Geschäfte schlossen und Arbeiter und Angestellte nicht zur Arbeit erschienen. Aus diesem Artikel wird ersichtlich, dass viele Katholiken an kirchlichen Feiertagen ihre Geschäfte nicht geöffnet hatten. (…)

Am Freitag dem 22.12.1939 kam das „Christkind in den Kindergarten“. Nach dem Bericht der Hönnezeitung wurde während der Feierstunde aber mehr vom „Weihnachtsmann“ als vom „Christkind“ gesprochen.

Am 23.12.1939 berichtete die Hönnezeitung über eine Versammlung der NSDAP, in der die „Mutterkreuze“ an kinderreiche Mütter vergeben wurden. 15 Mütter erhielten das Kreuz in Gold, 24 in Silber und 14 in Bronze. Nach der Verleihung der „Mutterkreuze“ führten die „Jungmädel“ ein Märchenspiel vor. (…)

Am zweiten Weihnachtsfeiertag feierten die Soldaten der „Balver Garnisonstadt“ – Balve hatte für längere Zeit Einquartierung – „Soldatenweihnacht“. Außer einer fröhlichen Feierstunde wurde auch getanzt. In der Nacht vom 1. auf den 2. Januar 1940 sank das Thermometer auf 26° unter den Gefrierpunkt.

1940

Am 18.2.1940 fand im Gasthof Krüdewagen ein „Generalappell“ der Kriegerkameradschaft (früher: Kriegerverein) statt. Theodor Werthschulte wurde erneut zum Vorsitzenden berufen. Es wurde mitgeteilt, dass den Soldaten Ende 1939 „Liebesgabenpakete“ geschickt worden seien. An die Versammlung schloss sich ein gemütliches Beisammensein „bei einem Glase Bier“ an.

Zu Ostern 1940 entfielen in der Presse alle Mitteilungen kirchlicher Art. Ein Artikelschreiber bemühte Goethe und seinen Osterspaziergang, den Osterhasen und die Ostereier, um auf das Fest hinzuweisen.

Am 12.4.1940 verzog der ehrenwerte jüdische Mitbürger David Bondy im Alter von 72 Jahren von Balve in das jüdische Altersheim in Unna, Düppelstraße Nr. 7. Von 1940 bis zu seiner „Umsiedlung“ im Jahre 1942 nach Theresienstadt (Böhmen-Mähren) – er kündigte sie mit seiner letzten Postkarte aus Unna vom 19.7.1942 an – konnte David Bondy mehrfach seine Balver Nachbarn, darunter die Familien Allhoff und Falke, besuchen. Er wurde dort regelmäßig „verproviantiert“ und mit Wäsche und Kleidungsstücken ausgestattet. Das hierbei David Bondy und seine Nachbarn weitestgehend unbehelligt blieben, muss hier positiv vermerkt werden. Hat es doch Orte gegeben, wo Personen, die Kontakte mit Juden hatten und sie unterstützten, von der Gestapo schärfsten Verhören unterzogen wurden. Von Unna wurde er 1942 nach Theresienstadt (Böhmen-Mähren) „übergesiedelt“, wo er im Rahmen der „Endlösung der Judenfrage“ umgebracht wurde. Nach einer anderen Version (Aussage des verstorbenen Amtmannes Franz Dransfeld) soll David Bondy kurz nach Erhalt der Mitteilung über seine bevorstehende „Umsiedlung“ noch in Unna verstorben sein. War dies vielleicht eine „Wunsch-Aussage“ des verstorbenen Amtmanns?

Am 20.4.1940 feierte die Balver NSDAP „Führers Geburtstag“, an dem, wie die Ortspresse berichtete, die Bevölkerung von Balve geschlossen teilnahm. Wenn man diese Zeilen liest, spürt man die schreckliche Übertreibung: Der Saal Kohne fasste höchstens 200-300 Personen, Balve hatte aber annähernd 2000 Einwohner. Im Übrigen gab es viele „Volksgenossen“, die grundsätzlich an keiner Parteiveranstaltung teilnahmen. Parteigenosse Anton Romberg wurde für 15-jährige Mitgliedschaft in der NSDAP geehrt. Über die Feier des 1. Mai 1940 wurde in der Ortspresse nicht berichtet. Es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass auch und gerade im Kriege der deutsche Arbeiter das Recht habe, den “Tag der Arbeit“ feierlich zu begehen. Der Musikverein nahm an dieser Veranstaltung nicht teil.

Für den Himmelfahrtstag, den 2.5.1940, wies die Hönnezeitung auf den „Wandertag“ hin und schrieb u.a. wörtlich: „Wandern, nein? Ja! Erst recht im Krieg.“

Durch die Änderung der Feiertagsordnung galten im Kriege nur noch folgende kirchliche Feiertage als gesetzliche: Karfreitag, 2. Ostertag, Himmelfahrt, 2. Pfingsttag, 1. und 2. Weihnachtstag.

Vor Pfingsten wurde in der Presse auf erhebliche Reisebeschränkungen vom 9. Mai bis 14. Mai hingewiesen, da infolge der starken Beanspruchung der Reichsbahn für kriegswichtige Aufgaben Sonderzüge nur in beschränktem Umfang eingesetzt werden könnten.

Am 10.5.1940 begann der »Westfeldzug«. Nach der Besetzung der Niederlande und Belgiens erfolgte am 22.6.1940 der Abschluss eines Waffenstillstandsvertrages zwischen Deutschland und Frankreich, Dänemark war am 9.4.1940 kampflos besetzt worden. Die Besetzung Norwegens erfolgte gegen erbitterten Widerstand norwegischer, französischer und englischer Truppen und war am 10.6.1940 abgeschlossen.

In einer Generalversammlung des Schützenvereins am 14.7.1940 wurde die Einheitssatzung angenommen. Franz Krüdewagen wurde erneut zum Vorsitzenden ernannt.

Am 10.8.1940 berichtete die Zeitung von der Ernennung des gebürtigen Balver Prof. Dr. med. Wilhelm Keppler zum Obermedizinalrat. (…)

Am Dienstag, dem 24.9.1940 fand wieder der Balver Viehmarkt statt. Dies war auch im Kriege sehr wichtig, da die meisten Haushalte sich ein oder mehrere Schweine hielten. (…)

Am 9.11.1940 wurde in einer kurzen Feierstunde der »Toten der Bewegung« gedacht. Der Musikverein nahm an dieser Veranstaltung nicht teil. (…)

Am 15.11.1940 erhielten die Schülerinnen und Schüler der Volks-und weiterführenden Schulen zum letzten Mal eine Noten für das Fach »Religion«, da seit dieser Zeit in den Schulen kein Religionsunterricht mehr erteilt werden durfte. Trotz des Krieges wagten die Machthaber diesen »schulischen Einschnitt von größter Tragweite«, der im Übrigen gegen die einschlägigen Bestimmungen des »Reichskonkordats« verstieß. Sie nahmen auch keine Rücksicht auf die Soldaten der Wehrmacht, die für »neue Aufgaben« bereit zu stehen hatten.

Am 8.12.1940 hielt die »NS-Frauenschaft« eine »Adventsfeier« ab, in der den Frauen Rezepte für die Weihnachtsbäckerei ausgehändigt wurden. Da viele Backzutaten infolge des Krieges knapp waren, mussten sich die Hausfrauen für die Weihnachtsbäckerei allerhand einfallen lassen. In dem Zeitungsbericht war vom christlichen Advent keine Rede.

Am 21.12.1940 erschien in der Zeitung ein Gedicht mit der Überschrift: »Kind in der Krippe« von Ernst Kurt Exner. In diesem kurzen Gedicht konnte man noch christliche Spuren entdecken.

1941

Am 11.1.1941 wurde in der Ortspresse darauf hingewiesen, dass es nunmehr gelte, »vom Lichterbaum« Abschied zu nehmen. Am 22.2.1941 wies die Zeitung darauf hin, dass es im Kriege selbstverständlich nicht erlaubt sei, Fastnacht zu feiern.

Am 16.3.1941, anlässlich der Helden Gedenkfeier, die von »Musikvorträgen« umrahmt war, sprach Amtsbürgermeister Anton Romberg zu Ehren der Gefallenen vor dem Ehrenmal. An der Feierstunde nahmen die Formationen der NSDAP geschlossen teil. Von der Teilnahme anderer Vereine wurde nicht berichtet. (…)

Zum Osterfest 1941 (13. April) sprach die Zeitung nur noch vom Osterhasen und vom Frühling.

Am Freitag dem 18.4.1941 zeigte die Bildstelle der NSDAP im berüchtigten Film »der ewige Jude«. Es ist nicht überliefert, wie viele Balver sich diesen »Streifen« angesehen haben.

Am 20. April 1941 (»Führers Geburtstag«) wurde um 11:00 Uhr im gut besetzten Saal des Hotels Kohne eine Morgenfeier veranstaltet. Es spielte der Musikverein Balve.

Von den Feiern am 1. Mai 1941 fanden sich keinerlei Aufzeichnungen in der Ortspresse. Mitte Juni 1941 musste die Zeitung ihr Erscheinen einstellen, sodass nach 1941 Berichte über die Ereignisse im Kriege fehlen.

Am 22.6.1941 begann der Russlandfeldzug, der auch vielen Balver Mitbürgern das Leben kostete. Mit dem Überfall auf Russland begann der grausamste Teil des zweiten Weltkrieges auf den europäischen Kriegsschauplätzen. Er endete mit dem Einmarsch der Roten Armee 1945 in Berlin.

Am 2.12.1941 verstarb Sparkassendirektor Heinrich Cramer, Sohn des 1913 verstorbenen Sparkassenrendanten Heinrich Cramer, welcher sich seinerzeit maßgeblich um die Gründung des Balver Musikvereins bemüht hatte. Heinrich Cramer jun., stets Gönner und Förderer des Musikvereins Balve, hatte sich immer wieder aus nächster Nähe an den Platzkonzerten des Musikvereins erfreuen können, die meistens vor dem Hause von Fräulein Theresia Lübke, heute Bäckerei (Eisdiele) Tillmann an der Hauptstraße stattfanden. Der Verstorbene hatte sich auch als Mitglied des Vorstandes der Balver Molkereigenossenschaften stets um ein gutes Verhältnis zum Musikverein Balve bemüht. Viele Molkereifeste wurden vom Musikverein Balve mitgestaltet. Zum Nachfolger Heinrich Cramers wurde Wilhelm Holin bestellt. Nach dessen Einziehung zum Wehrdienst übernahm Sparkassenrendant Wilhelm Klein die Leitung der Kasse. (…)

Infolge des immensen Rüstungsbedarfs der Wehrmacht und des eingetretenen Rohstoffmangels wurden 1942 – wie schon im Ersten Weltkrieg , die Glocken der Balver Pfarrkirche, dieses Mal alle bis auf die kleine »Cäcilienglocke« – zum Einschmelzen für Rüstungsgüter »eingezogen«. Sie wurden vom Turm herabgenommen und abtransportiert. Vorher war das Glockengeläute auf Schallplatten aufgenommen worden und wurde an Sonn- und Feiertagen, solange es noch gestattet war, »geläutet«. Bei zunehmendem Eindringen »feindlicher Bomber« in den »Luftraum des Reiches« durften nicht mehr »geläutet« werden, da dadurch dem Gegner angeblich die »Ordnung« erleichtert wurde.

Nach dem Beginn des Russlandfeldzuges wurden im großen Ausmaß überall Lazarette eingerichtet. Auch im Balver St. Marienhospital wurde seit dem Winterhalbjahr 1941/42 mehr und mehr Platz für verwundete Soldaten gemacht. Das Balver Lazarett wurde von einem Stabsarzt (zeitweise Dr. Üllner) geleitet und blieb auch nach dem 12.4.1945 (noch bis in den Sommer hinein) in Betrieb. Die Schwestern vom Orden des heiligen Vinzenz blieben auch im Lazarett Stationsschwestern. Hinzu kamen Rot-Kreuz-Schwestern – zu den ersten gehörte Fräulein Maria Allhoff – Wehrmachts-Sanitäter und zivile Hilfskräfte. Zeitzeugen berichten, dass beim Einmarsch der Amerikaner das Lazarett überfüllt gewesen sei. Die Verwundeten hätten teilweise in den Fluren untergebracht werden müssen. Sicherlich werden die amerikanischen Truppen auch im Balver Lazarett eine »Ausmusterung« von leichter Verwundeten vorgenommen haben, die bekanntlich aus dem Lazarett in die Kriegsgefangenschaft kamen. Hierbei wurde oft nicht zimperlich verfahren. In manchen Fällen konnten sich jedoch die deutschen Ärzte zugunsten der Verwundeten durchsetzen. Im Übrigen wurde auch die Landwirtschaftsschule bereits 1941 geschlossen und ihre Räume dem Lazarett zur Verfügung gestellt. (…)

Viele Balver Familien hatten im Laufe des Krieges einen oder mehrere Gefallene oder Vermisste zu beklagen. Josef Pütter in seinem Buch »sauerländisches Grenzland im Wandel der Zeit« alle Balver Gefallenen (93) und alle Vermissten (89) namentlich aufgeführt. In diesen Zahlen sind auch die gefallenen und Vermissten der während des Krieges aus den zerbombten Städten und nach dem Kriege infolge der Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten im Balve zugezogenen Familien enthalten. Vom Musikverein Balve kehrten vier aktive Spieler, Herbert Grote, Josef Grote, Josef Nolte und Bernhard Ruschepaul nicht aus dem Kriege zurück. Josef Grote, Josef Nolte und Bernhard Ruschepaul wurden 1942/43 in Stalingrad vermisst, Herbert Grote starb an den Folgen eines Unglücksfalles (Rohrkrepierer) am 21.11.1944.

Im Verlaufe der NS-Herrschaft wurden mehrere Balver Mitbürgerinnen und Mitbürger von der Polizei, den örtlichen Behörden bzw. der Gestapo vorgeladen, wobei es auch zu Hausdurchsuchungen kam. Mitte der 30er-Jahre wurde der Schneidermeister Anton Schäfer nach dem Mellener Schützenfest verhaftet, weil er auf dem Fest die Äußerung getan hatte, dass »ihm kein Bier mehr schmecke, wenn er die ´kackgelben´ Uniformen sehe«. Er wurde für eine Nacht im Balver Amtsgerichtsgefängnis untergebracht, wo er – nach eigenen Aussagen, von Familie Lindemann bestens versorgt wurde. Von Balve aus kam er für einige Tage ins Gefängnis nach Iserlohn, wurde nach kurzer Zeit wieder entlassen und am Balver Bahnhof mit Blumen abgeholt. Wilhelm Scheele musste sich deswegen eines Verhörs unterziehen.

Wenn auch im Allgemeinen, trotz Anfeindungen, Bespitzelungen und Verhören, keine Weiterungen eintraten, muss dennoch für die Nachwelt die traurige Tatsache festgehalten werden, dass der angesehene jüdische Mitbürger David Bondy, Mitglied des Kriegervereins Balve, und zwei weitere Mitbürger, die sich in einer Heil-und Pflegeanstalt befanden, Anfang der vierziger Jahre dem NS-Unrechtsstaat zum Opfer gefallen sind. Die »Euthanasiemorde« der Nationalsozialisten (Vernichtung sogenannten lebensunwerten Lebens) wurden erst gestoppt, nachdem der Bischof von Münster öffentlich scharfen Protest eingelegt hatte. Kardinal von Galen hatte in Hirtenbriefen und Predigten in der Domkirche zu Münster mehrfach das NS-Regime wegen dieser Morde hart angegriffen und verurteilt.

Im Übrigen war die Kriegszeit, auch was das alltägliche Leben der zu Hause Gebliebenen anbetraf, eine schmerzliche, traurige Zeit, was unter anderem auch aus den Berichten der Hönnezeitung, solange diese erscheinen konnte, deutlich hervorgeht. Politische Wochenberichte, Mitteilungen über Treuekundgebungen der Partei, die Ankündigung von Strafen für Bürger, die gegenüber Kriegsgefangenen nicht die gebotene Distanz wahrten, ein Bericht über ein »zeittypisches« Verfahren dieser Art gegen eine Balver Mitbürgerin, Todesanzeigen und ab und an kurze Mitteilungen über einen verstorbenen Mitbürger waren das wöchentliche Gesicht der Hönnezeitung, die zuletzt nur noch mit zwei Seiten erschien. Hinzu kamen kurze amtliche Mitteilungen und Verfügungen. Ankündigungen von kirchlichen Feiertagen unterblieben völlig. Lediglich in den Todesanzeigen kamen noch christliche Begriffe zum Ausdruck, da diese Texte von den Angehörigen vorgegeben waren. Berichte über gelegentliche Konzerte von Militärkapellen und Ankündigungen »nationaler Gedenktage« passten sich dem tristen Bild dieser Tage an.

In dieser schweren Zeit des Krieges war ein aktives kirchliches Leben zu verzeichnen. Regelmäßiger Besuch der Gottesdienste, heilige Messen, Andachten mit Andachten und Prozessionen waren fast allen Gläubigen ein Herzensbedürfnis. Für die Nachwelt muss festgehalten werden, dass die meisten Mitglieder der NS-Partei, von einigen »Hundertfünfzigprozentigen« und »Überängstlichen« abgesehen, regelmäßig am kirchlichen Leben teilnahmen. Auch die jährlichen Prozessionen, von denen die von Fronleichnamsprozession infolge der Verminderung der Zahl der gesetzlichen Feiertage unter erschwerten Bedingungen stattfand, erfreuten sich einer großen Beteiligung durch die Gläubigen. Sie wurden zum Teil auf verkürztem Wege oder durch einen Umgang um die Kirche abgehalten. In dieser schweren Zeit war das Orgelspiel Theodor Pröppers, der Gesang der Lieder, die bei besonderen Anlässen – zeitbezogen und bekenntnishaft – ausgesucht waren, Trost, Ermutigung und Kraftquelle für viele. Auch und gerade in dieser Zeit galt das immer gültige Wort: »Der Geist Gottes weht, wo er will!« Nachzutragen wäre noch, dass viele Balver immer wieder öffentlich den Mut hatten, in der Kirche und den kirchlichen Vereinen (Kirchenvorstand, Kirchenchor, St. Josef Verein, katholischer Deutscher Frauenbund, Jungfrauen-Kongregation) und in der Borromäus-Bücherei Ämter und Aufgaben zu übernehmen.

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges waren auch die Aktivitäten des Musikvereins Balve nach und nach zum Erliegen gekommen, da die Männer im wehrfähigen Alter zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Ob die älteren Herren des Musikvereins, die »alte Garde«, während des Krieges noch an Heldengedenktagen und bei Prozessionen mit »kleiner Besetzung« gespielt haben, kann weder mit einem klaren »Ja« noch mit einem »Nein« beantwortet werden, da die Aussagen der Zeitzeugen uneinheitlich sind die Chronik der Pfarrgemeinde aus dieser Zeit völlig fehlt.

1942

Im Frühjahr 1942 starteten die katholischen Frauen von Balve eine »Meßkofferaktion«. Die Meßkoffer waren für Geistliche bestimmt, die als einfache Soldaten im Felde standen, ohne das Amt eines Militärpfarrers zu bekleiden. Dennoch wurden die Frauen dieserhalb von der Gestapo ins Amtshaus zitiert und dort verhört. Auf die Frage der Gestapo, warum die Frauen diese Aktion unternommen hätten, bekam sie die Antwort: »Um den Soldaten an der Front, die auch geistlichen Zuspruch wünschen, zu helfen!«. Die Gestapoleute antworteten darauf: »Ein deutscher Soldat braucht nur gute Marschmusik!« Als ein Lehrling der Amtsverwaltung – man hatte ihn zum Kauf von Zigarren nach Josef Cordes geschickt – unverrichteter Dinge zurückkehrte, sagten die Gestapo Männer: »Balve, dies verdammte Drecksnest. Hier bekommt man nichts Gescheites zu essen und nichts zu rauchen!« Die Frauen wurden nach dem Verhör nach Hause geschickt. Sie erhielten am 11.8.1942 einen Strafbefehl des Amtsgerichtes Arnsberg über Reichsmark 30,00 zuzüglich Reichsmark 2,50 Verwaltungsgebühren. Dies war nach den damaligen Geldwertverhältnissen eine empfindliche Strafe. Es zeigt aber auch die ganze Verachtung der NS-Partei gegen das »Volk Gottes« und die Geringschätzung gegenüber den Frontsoldaten, die sich mit ihrer Kirche verbunden fühlten. Die Maßnahme der Gestapo war umso unverständlicher, als bekanntlich in der Wehrmacht bei den Divisionsstäben Feldgeistliche beider Konfessionen im Majorsrang tätig waren. Es zeigt aber auch, wie tief die Kluft zwischen Wehrmacht und Partei war. Zu den mutigen Frauen, die sich damals an der Sammlung für Meßkoffer beteiligt hatten, gehörten unter anderem Fräulein Theresia Schulte als Vorsitzende des Frauenbundes (»Schulden Tetta«), Frau Cilly Cordes (»Bettkes«), Frau Engels (Wocklum), Frau Elisabeth Falke, Frau Anna Hertin, Frau Lina Krüdewagen, Frau Anna Ruschepaul (»Andres«) und Frau Elisabeth Simon.

1943

Am 19.11.1943 – am »Elisabeth-Tag« – fand ein wahrscheinlich versehentlicher Luftangriff auf Balve statt. Ein britischer Bomber »verlor« eine Luftmine, die gegen Abend (etwa um 19:00 Uhr) in das Feld zwischen Ernst Schulte und der Piuskapelle fiel. Auf dem gleichen Grundstück, jedoch näher zum Meller Schad hin, fielen einige Brandbomben. Von Eisborn bis Balve sollen an diesem Abend an die 800 Brandbomben gefallen sein. Sowohl in der Nachbarschaft wie auf der Gegenseite von Balve (Druckauswirkung) entstanden erhebliche Sachschäden. Die Bevölkerung verließ in Panik die Stadt, teilweise mit Gepäck und Handwerk (das Nötigste!). Als sie feststellten, dass die Bomber nicht wieder kehrten, ging alles wieder nach Hause zurück.

1944

Ende Januar 1944 wurden auf Betreiben der Staatspartei die Kreuze aus den Schulen entfernt. Lehrer Hans Hölling, der als Nachfolger von Hauptlehrer Josef Röhren am 25.1.1944 nach Balve kam und auch das vakante Amt des NS-Propagandaleiters übernahm, ließ sich bereitwillig als Werkzeug der Machthaber gebrauchen. Gegen diese Maßnahme gab es in der Bevölkerung einen so starken Widerspruch, dass seitens des Katholischen Frauenbundes eine öffentliche Protestaktion gestartet werden sollte. Dieser Protest unterblieb jedoch, da bereits im Stadium der Vorbereitung Repressalien der Behörden angedroht worden waren. Dennoch ist dieser Versuch erwähnenswert, zumal er deutlich die Haltung vieler Balver Katholiken markierte. Ist es nicht bemerkenswert, dass es Frauen waren, die diese Protestaktion durchführen wollten? Nach einer anderen Version sollen Kinder – ohne Wissen ihrer Mütter – zu dieser Protestdemonstration eingeladen haben. Sie sollen die besorgten Gespräche ihrer Mütter über das Vorgehen der Nazis gehört und daraus entnommen haben, dass eine Protestdemonstration geplant sei. Im Übrigen untersagte Lehrer Hölling auch das tägliche Schulgebet. Es wurde überliefert, dass in den meisten Klassen jedoch weiter gebetet wurde, da nicht alle Lehrer sich dem Befehl des Schulleiters unterwarfen. Sein Vorgänger, Hauptlehrer Josef Röhren, hatte die entsprechenden Anordnung der Schulbehörde (Entfernung der Kreuze aus den Schulen und Abschaffung des Schulgebietes) nicht befolgt, was ihm zur Ehre nachgesagt werden muss. Er ging im Herbst 1943 in Pension.

Am 24.4.1944 wurde Pater Kilian Kirchhoff OFM in Berlin-Plötzensee hingerichtet (siehe auch P. Bürger 2014). Er war von einer Frau denunziert und vom »Volksgerichtshof« wegen »staatsfeindlicher Tätigkeit« zum Tode verurteilt worden. Einige Tage nach dem 24.4.1944 wurde in Balve eine Seelenmesse für ihn gelesen, ohne dass der Name des Toten aus begreiflichen Gründen genannt werden konnte. Nur einige Eingeweihte wussten um den Namen des Verstorbenen. Pater Kilian Kirchhoff, gebürtiger Rönkhauser, hatte in Balve viele Freunde. Bis kurz vor seiner Verhaftung war er in Küntrop als Seelsorger tätig gewesen. (Fußnote des Verfassers: In den sechziger Jahren wurde die »Straße am Schaar« in »Pater-Kilian-Straße« umbenannt, um den Märtyrer aus dem benachbarten Rönkhausen, der in Balve viele Freunde hatte, zu ehren). (…)

Im Rahmen dieses Buches verdient ein Vorgang erwähnt zu werden, der nicht überall im damaligen »Dritten Reich« den gleichen Ausgang genommen hätte. Nach dem 20. Juli 1944, dem missglückten Attentat auf Hitler, hatte eine Balver Frau einer Nachbarin gegenüber geäußert: »Schade, dass diese Hitler nicht umgekommen ist. Sonst wäre der Krieg sicher bald vorbei!« Die Frau wurde angezeigt und vom damaligen Chef der Amtsverwaltung verhört. Beeinflussend stellte Amtschef Romberg die Frage: »Sie haben diese Äußerung, dessen bin ich mir sicher, doch nicht getan?« Mit diesem Verhör war der Vorfall erledigt. Es erging keine Meldung an die Gestapo. Im Übrigen hatten sich einflussreiche Bürger in die Angelegenheit zugunsten der denunzierten Frau eingeschaltet.

Am 17.10.1944 verstarb Vikar Konrad Drilling infolge eines Unglücksfalles (er war bei der Obsternte im Garten des Pastorat aus einem Birnbaum gefallen). Er wurde unter großer Beteiligung seiner Amtsbrüder und Pfarrkinder beigesetzt. Vikar Drilling hatte sich als Jugendseelsorger und durch seinen Mut im Kampf gegen die NS-Ideologie besonders ausgezeichnet und war deswegen häufig von der Gestapo verhört worden. Zeitzeugen wollen wissen, dass in den Tagen seines Ablebens eine Verhaftung kurz bevor stand. (…)

Während der Kriegsjahre waren viele Gefangene (Franzosen, Russen) und Zwangsarbeiter, vor allem Polen, in Balve und Umgebung in Lagern untergebracht. Es muss für die Nachwelt festgehalten werden, dass die Balver Bevölkerung – darunter auch viele eingetragene Parteigenossen – diesen Gefangenen und Zwangsarbeitern gegenüber ein gutes Verhältnis hatte. Trotz des strengen Verbotes wurden den Gefangenen und Zwangsarbeitern immer wieder Lebensmittel zugesteckt. Dieses Verhalten zeigte, dass die »Umerziehung« der NS-Partei in Balve ihr Ziel nicht erreicht hatte. Die Menschen waren »Menschen« geblieben. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass es auch unter den Amtsträgern der Partei und ihrer Gliederungen manchen gegeben hat, der selbst oder dessen Ehefrau und Kinder Gefangene und Zwangsarbeiter mit Lebensmitteln unterstützt haben. Es ist überliefert, dass ein Beamter der Amtsverwaltung auf seinem täglichen Weg zum Dienst sein Frühstücksbrot an einer bestimmten Stelle niederlegte, wo es von Gefangenen bzw. Deportierten abgeholt wurde. (Anmerkung: Dieser Beitrag wurde zwischen 1984 und 1986 geschrieben. J. Lenze nimmt keinen Bezug auf Berichte über die geheime Rüstungsverlagerung im Hönnetal (Schwalbe 1). Ob er sie nicht für erwähnenswert hielt, oder bewusst ignorierte, lässt sich aus heutiger Sicht nicht entscheiden. Das Buch von H. Polenz „Zur Geschichte des Amtes und der Stadt Balve“ von 1980, mit seinen Ausführungen im Kapitel „Zwei Weltkriege und ein neuer Anfang“ war ihm selbstverständlich bekannt; auf Seite 104 nimmt er darauf Bezug).

1933-1945

Von 1933-1945 waren in Balve elf Schuljahrgänge durch Jungvolk, Hitlerjugend, Jungmädchen und BdM gegangen, das sind ca. 300 junge Leute, die mit den Ideen des NS-Staates Bekanntschaft machen. Wenngleich auch viele von ihnen zur gleichen Zeit kirchlichen Jugendgruppen angehörten, so ist es doch bemerkenswert, dass nach 1945 in diesen jungen Menschen – von Ausnahmen abgesehen – keinerlei NS-Gedankengut zurückblieb. Dies zeigt, dass autoritäre Regime nur so lange Anhänger haben, wie sie an der Macht sind. Die Natur des Menschen ist mächtiger als der Irrsinn der Machthaber.

Zusammenfassend kann nicht verschwiegen werden, dass auch der Musikverein – wie alle anderen nicht-kirchlichen Vereine und Verbände -»gleichgeschaltet« war. Insofern hat er sich durch seine Teilnahme und Mitwirkung an Festen der NS-Partei an der Verherrlichung des »Dritten Reiches« beteiligt und dadurch »schuldig« gemacht. Andererseits hat er durch sein konsequentes Einstehen für die Kirche Mut und Überzeugungstreue bewiesen, was den inneren Widerspruch vieler Mitmenschen in dieser Zeit ausgemacht hat.

Zu den extremen Besonderheiten des NS-Regimes gehört unter anderem auch der Zwang zum »Deutschen Gruß«. In allen öffentlichen Amtsstuben, an den Schaltern der Post, der Banken und Sparkassen und auch auf der Straße – bei der Begegnung mit Nationalsozialisten – war der Bürger gehalten, anstatt des herkömmlichen Grußes (Guten Morgen, guten Tag, guten Abend) den NS-Gruß »Heil Hitler« auszusprechen. Beim Vorbeimarsch von Kolonnen mit einer NS-Fahne (Reichsdienstflagge oder ähnliche) musste der rechte Arm ausgestreckt zum Gruß erhoben werden. Viele Bürger haben diese Sitte nur im »äußersten Notfall« mitgemacht. Gott sei Dank wurde in Balve auch in dieser Zeit noch oft und gern »Guten Tag« gesagt, wenngleich dies manchmal zu Rügen und Verhören führte.

Im Übrigen wurde auch in Balve seit 1933 kräftig »geführt« und »geleitet«. Die »Führer« und »Leiter« waren jedoch mehr oder weniger alle nur »Verführte« und »Verleitete«. Viele wussten es, sie machten nur mit, weil, wie sie meinten, »es ohne sie nicht ging«. Andere wiederum trugen Uniform und Titel »mit Stolz« und aus »Überzeugung«. Wir werden heute kaum in der Lage sein, dies zu differenzieren, noch weniger können wir uns das Recht herausnehmen, den einzelnen »zu richten« oder »mit ihm zu rechten«. Für die Zukunft muss jedoch die Lehre aus der Vergangenheit gezogen werden, dass der einzelne seine Freiheit nur dann behalten kann, wenn er den Mut hat sich gegen die Unfreiheit zu wehren, statt mit ihr zu »konkurrieren« oder gar zu »kokettieren«.

Ferner ist es sehr interessant, sich daran zu erinnern, dass in einigen Gliederungen der Partei – vornehmlich in der NS-Frauenschaft und dem BDM – gern zum Abschluss der »Heimabende« das alte Volkslied »drum Brüder eine gute Nacht./ Der Herr im hohen Himmel wacht./ In seiner Güte uns zu behüten,/ hat er die Macht.« Wollte man mit diesem Lied vielleicht ein wenig das eigene Gewissen beruhigen, da zwischenzeitlich der Letzte gemerkt haben musste, dass die NS-Weltanschauung mit dem Christentum und mit dem Glauben an einen persönlichen Gott »auf Kriegsfuß« stand? Im Übrigen wurden die Damen der NS-Frauenschaft öfter gebeten, Nadeln und Garn zum Häkeln mitzubringen. Die Partei wusste, dass man die Frauen nicht immer mit Politik »berieseln« konnte.

Die Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst (Lehrer, Angestellte, Beamte und Lehrlinge der Amtsverwaltung, der AOK, der VEW und der Sparkasse) standen während dieser Zeit unter »besonderen Zwängen«. Aber auch hier muss gesagt werden, dass sie sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen – während dieser Zeit »korrekt« und »bürgernah« verhalten haben. Besonders schwer war es für die Lehrpersonen, die gezwungen wurden, im Unterricht »NS-Gedankengut« zu verbreiten, obwohl dies den meisten im Laufe der Jahre zu einer »seelischen Qual« wurde.

Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass es während des Krieges zwischen jungen Balver Offizieren und anderen jungen Balver Soldaten, die nicht »gradiert« waren, zu »peinlichen Missverständnisse« kam, da die jungen Soldaten statt »militärisch« nur mit einem »guten Tag« grüßten. Es soll vorgekommen sein, dass solche »Falsch-Grüßer« angehalten und zu einem »korrekten militärischen Gruß« aufgefordert wurden. Wie schnell wachsen doch Menschen, wenn sie »etwas werden«, was sie vorher nicht waren, »über sich selbst hinaus«!

Lebensmittelkarten, Bezugsscheine, wie Wiegescheine bei Hausschlachtung waren alltägliche Dinge, die manchmal viel Geduld erfordern. Bei Hausschlachtungen war entscheidend, wer »wie« wiegen würde. Oftmals wurden gerade bei kleinen Leuten die Schweine genauestens gewogen, sodass die eigene Mühe sich kaum gelohnt hätte, da in manchen Fällen ein voller Abzug aller Lebensmittelkarten für Fleisch und Fett erfolgte. Johannes Florissen weiß hierüber zu berichten. In manchen Fällen hat er »kleinen Leuten« zu einer »Korrektur« der Wiegescheine verhelfen können. Im Übrigen soll auch hier mit »zweierlei Maß« gewogen worden sein. Aktive Mitglieder der NSDAP hatten »gewisse Vorrechte« und Vorteile gegenüber den Gegnern des Regimes.

Während der Kriegszeit – und das verdient festgehalten zu werden – war Nachbarschaftshilfe eine Selbstverständlichkeit. Der eine half dem anderen in und aus der Not, soweit dies in »jenen Tagen« möglich war. Es kann hier in diesem Buch nicht beschrieben werden, wie viel Tröstung von Haus zu Haus vermittelt wurde, wenn die Nachrichten über einen Gefallenen oder Vermissten eintrafen. Ein altes Sprichwort sagt: »Not lehrt beten!« Abgewandelt könnte man über jene Zeit sagen: »Not bringt die Menschen gegenseitig näher!«.

Zwischen Balve und Langenholthausen hatte die »Flugwache« ihren Dienst. Hermann Herdes, Engelbert Gercken, Paul Streiter, Willi Klüppel und andere versahen dort ihren Dienst. Über die Balver Flugwache wurden während des Krieges und noch lange nach dem Kriege nicht nur ernste, sondern auch viele heitere Geschichten erzählt. Sicherlich hätte uns Hermann Herdes, wenn er noch leben würde, manches »Döneken« hierüber erzählen können.

Während an den Fronten im Westen, Osten, Südosten und Süden die Soldaten der Wehrmacht die tödliche Umklammerung des »Reiches« in verzweifelten Schlachten abzuwehren versuchen, die Gefahr einer völligen deutschen Niederlage jedem Einsichtigen immer klarer vor Augen stand, konnte man als Soldat im Heimaturlaub feststellen, dass die örtlichen Größen der Partei und viele ihrer devoten Anhänger immer noch an den Sieg und an die »Wunderwaffe« des Führers glaubten, die er zu gegebener Zeit einsetzen würde. Wenige Männer in der Heimat waren in der Kriegsindustrie beschäftigt. Die Bauern, soweit sie nicht eingezogen waren, hatten die »Ernährungsschlacht« zu führen. Die Frauen trugen die ganze Last des Kriegsalltags und die Angst, was da kommen würde. Auch ging mehr und mehr die Angst vor der Gestapo und der Partei um. Das Abhören feindlicher Sender war strengstens untersagt. Örtliche »Funktionäre« gingen Abend für Abend ihre Kontrollgänge, ob aus irgend einem Haus die Stimme der BBC zu hören war. Bei seinem letzten Urlaub im Februar 1945 besuchte der Verfasser dieses Buches einen Balver Bürger, der leider bereits verstorben ist. Als es auf Mitternacht zuging, stellte derselbe – er hatte früher nie ein Radio besessen – seinen »Volksempfänger« an, und zwar so leise, dass ich kaum etwas verstehen konnte. Auf meine Frage, ob man den Sender nicht besser empfangen könne, antwortete mein Gesprächspartner: »Oh ja, man kann, wenn man will. Aber wir müssen eher in den Apparat rein kriechen, als uns von den Lauschern erwischen zu lassen!«. Man hatte Angst.

Im Übrigen wurden während des Krieges, sowohl an der Front als auch in der Heimat, viele »politische Witze« erzählt, was sicher nicht immer ganz ungefährlich war. Es gab eine Menge von »Führer-Witzen« und von Witzen über Hermann Göring, der sich den Namen »Meier« durch seine großspurig Aussage: »Ich will lieber Meier heißen, als dass auch nur ein feindliches Flugzeug in den deutschen Luftraum eindringt« zugezogen hatte. Im Übrigen war es bezeichnend, dass bei der Wehrmacht das Erzählen von »Nazi-Witzen« ungefährlicher war, als in der Heimat.

Sicherlich werden Sie in diesem Buch viele Daten, die Sie persönlich interessiert hätten, nicht auffinden. Dieses Buch konnte und sollte aber nicht ein Buch über die Balver Geschichte, sondern über die des Musikvereins sein. Dennoch habe ich – besonders während der Zeit des »Dritten Reiches« , einige Daten über den Rahmen der Geschichte des Vereins hinaus aufgeführt und beschrieben, da hierüber zu wenig Wissen – vor allem bei jüngeren Menschen – vorhanden ist. Auch diese Zusätze sollen weder anklagen noch verharmlosen, sondern jeden von uns zum Nachdenken und manchen zum Überdenken eigenen Verhaltens in dieser Zeit veranlassen. Denn nur derjenige kann sich selbst finden und verwirklichen, der aus seinem Leben keine Stunde zu streichen versucht, sondern sich bemüht, eigene „Fehler und Fehlentscheidungen« zu erkennen. Wir, die ältere Generation, haben allen Grund, darüber vorurteilsfrei nachzudenken.

1945

Am Kardienstag, dem 27.3.1945, wurde der Geburtsjahrsgang 1930/31 aus der Schule entlassen. Schulleiter Hans Hölling verabschiedete seine Schülerinnen und Schüler »auf dem Küppelken« unter der Hakenkreuzfahne mit einem Gruß an den »Führer« und NS-Sprüchen für das weitere Leben. Eine gespenstische Szene, wenn man bedenkt, dass kaum vier Wochen später Hitler bereits Selbstmord begingen, und wenn man den Tatbestand, dass die amerikanischen Truppen sich auf das Sieger-/ Sauerland zu bewegten, in Rechnung stellt. Im Übrigen hatte Lehrer Hölling bereits im Januar/Februar 1944 nach seinem Eintreffen im Balve nicht nur die Kreuze aus der Schule entfernen lassen, sondern auch das tägliche Schulgebiet untersagt. Die meisten Lehrer und Lehrerinnen haben sich allerdings nicht daran gehalten. Einige Schülerinnen erinnern sich, dass vor dem Unterricht weiter gebetet wurde. Lehrer Hölling war also nicht nur 150-prozentiger, sondern zusätzlich ein realitätsblinder Fanatiker. Er soll von den amerikanischen Soldaten verhaftet und auf dem Kühler eines Kübelwagens abtransportiert worden sein.

Am 1.4.1945 feierten auch in Balve die Christen Ostern, das Fest der Auferstehung des Herrn und einer neuen Hoffnung für den Menschen. Am Weißen Sonntag, am 8.4.1945 – vierTage vor dem Einrücken der amerikanischen Kampftruppen – gingen auch in Balve die »Erstkommunion-Kinder« zum Tisch des Herrn. Durch alle Wirren der Zeiten hinweg war und ist das Kirchenjahr ein immer währender und immer wiederkehrender Kreislauf der Gnaden Gottes und der Hoffnungen der Menschen.

Aus den Festen des Glaubens schöpften auch in jenen Tagen die Christen ihre Kraft, durchzuhalten und auf bessere Zeiten zu hoffen. Das »Jahr der Kirche« gab dazu immer wieder seine »Orientierungspunkte«.

Positiv muss für die Nachwelt festgehalten werden, dass es von 1933-1945 in Balve nur eine kleine Anzahl von Kirchenaustritten gegeben hat. Auch unter der sogenannten »Führungsschicht« der NSDAP bestand hierzu unter alten Balvern wenig Neigung. Dies beweist, dass die »NS-Weltanschauung« wie sie sich in Rosenbergs Schriften »Der Mythos des 20. Jahrhundert« und »An die Dunkelmänner unserer Zeit« und in den einschlägigen Artikeln des »Schulungsbriefes« dokumentierte, nur von einigen wenigen »geglaubt« wurde. Die seinerzeit »Ausgetretenen« soll nach dem Kriege alle wieder »zur Kirche zurückgefunden« haben.

Am 12.4.1945 forderten die amerikanischen Truppen ferner alle Soldaten und »wehrfähigen Männer« auf, sich bei der Kirche einzufinden, was auch sehr viele taten. Sie wurden gefangen genommen und nach Rheinberg abtransportiert. Die älteren von ihnen kehrten nach einigen Monaten aus der Gefangenschaft zurück. Diejenigen, die sich nicht meldeten und eine Zeit lang »verbargen«, entgingen der Gefangennahme und konnten nach einigen Wochen wieder »auftauchen«. Im Übrigen »requirierten« die amerikanischen Truppen beim Einmarsch bzw. in den nächsten Tagen nach dem Einrücken manches Balver Haus ganz oder teilweise. Man musste zusammenrücken oder in Nachbarhäuser »umziehen«.

Nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen am 12.4.1945 wich allmählich die Furcht vor der Gestapo. Dafür kehrten Angst und Furcht vor den neuen Herren ein, die sich jedoch, wenn man einmal von einigen schwereren Übergriffen einzelner Soldaten (einzelne Vergewaltigungen und »Diebstähle« nach Soldateska-Art) in den ersten Wochen absieht, bald als unbegründet erwiesen. Dass ein Balver Bürger durch das Vortragen der »weißen Fahne« als Zeichen der Übergabe die Stadt vor einem weiteren Beschuss durch die Amerikaner bewahrt hat, ist zwar durch persönliche Aufzeichnungen bzw. Äußerungen bekannt geworden, kann aber nicht aktenmäßig belegt werden, wenngleich falls es zutrifft, demjenigen heute noch seine mutige Tat Dank gebührt.

Im Rahmen dieses Buches kann es nicht meine Aufgabe sein, die turbulenten Ereignisse des »Überganges« von der Herrschaft des »Dritten Reiches« in die »Besatzungszeit« zu schildern. Im Übrigen ist hierüber im »zweiten Balver Buch von 1980« (Polenz: Die Geschichte des Amtes und der Stadt Balve) eingehend berichtet worden.

Drei Ereignisse möchte ich jedoch kurz anreißen: Am 12.4.1945 wurde Fähnrich Hermann Schulte-Vennbur, Pilot der deutschen Luftwaffe, von den amerikanischen Kampftruppen gezwungen, sein eigenes Grab zu schaufeln. Er musste »im Grab Maß nehmen«. Vor seinen Augen wurde seine Erkennungsmarke zerbrochen. Hermann Schulte-Vennbur führt heute das Verhalten der amerikanischen Kampftruppen auf die Tatsache zurück, dass er damals nicht bereit war, über die »Angaben zur Person« hinaus weitere Aussagen zu machen, was er selbst heute nicht mehr begreifen kann. Der vernehmende amerikanische Offizier sprach übrigens akzentfrei Deutsch. Wie eine Augenzeugin berichtet, wurde er nach dieser grausigen Prozedur – man ließ von einer Erschießung ab – auf einen Militärlastwagen verfrachtet. Er kam nach Rheinberg in Gefangenschaft.

Ein anderer deutscher Soldat, ein gewisser Max Huber aus dem Raum Württemberg, musste an der Kirchenmauer sich aufstellen. Auch ihm wurde die Erschließung angekündigt. Durch eine wundersame Fügung – die Einzelheiten sind mir leider nicht bekannt – wurde auch in diesem Fall die Exekution nicht vorgenommen. Max Huber besuchte im Frühjahr 1985 – 40 Jahre später – Balve, um Pfarrer Ludwig Kinkel eine große Kerze aus Dankbarkeit für seine »wundersame Errettung« zu schenken.

Ein dritter Fall, diesmal auf deutscher Seite, ereignete sich am 11.4.1945 in Langenholthausen. Der deutsche Unteroffizier Jakob Adams IV. Feldj. Reg. mot. 1 wurde wegen »defaitistischer Äußerungen« (er hatte am Abend vorher in einem Gasthof erklärt, dass der Krieg verloren und alles aus sei. Er habe nicht mehr vor, weiter mitzumachen) am Abend des 11.4.1945 um 8:30 Uhr erschossen. Ein Standgericht hatte ihn wegen dieser Äußerungen zum Tode verurteilt. Der deutsche Unteroffizier wurde somit ein Opfer des Wahnsinns »kurz vor Toresschluss«. Seine Angehörigen haben einige Monate später seine Leiche auf dem Friedhof in Langenholthausen exhumieren und nach Aachen überführen lassen. Aus den Aufzeichnungen von Vikar Vogt, der dem Verurteilten geistlichen Beistand leisten durfte, geht hervor, dass Jakob Adams kurz vor seinem Tode ausrief: »Es lebe meine Frau, es lebe mein Rheinland!« Das Erschießungskommando hat Uffz. Adams im übrigen an der Hinrichtungsstätte auf dem Kasberg »vergraben«. Er wurde von den Bürgern von Langenholthausen am 8.5.1945 auf dem Friedhof beigesetzt.

Amts Bürgermeister Anton Romberg wurde in diesen Tagen seines Amtes enthoben und mit anderen Balver Bürgern im Sennelager interniert. Die »Auswahl« der Internierten – sie sollen sich zum Teil freiwillig gestellt haben – war im Falle Balve sicherlich ein »Meisterstück« der Militärbehörde. Außer Anton Romberg wurden Balver Bürger interniert, die sicherlich weder ein Balver noch ein Vertreter der Militärbehörde nach gewissenhafter Prüfung in die Kategorie der »Belasteten« hätte einstufen können.

Am 30. April 1945 verkündete der »Deutsche Rundfunk«, dass der »Führer und Reichskanzler und oberste Befehlshaber der deutschen Wehrmacht«, Adolf Hitler, im Kampf um Berlin in vorderster Front gefallen sei. Auch in Balve wird manch einer diese Nachricht gehört haben, ohne den Inhalt ganz zu glauben, wenngleich Hitler es immer wieder versprochen hatte, falls Deutschland den Krieg verlieren würde, »mit seinen Soldaten an der Front kämpfen und fallen zu wollen«. Generaladmiral Dönitz wurde »Deutsches Staatsoberhaupt« und »regierte« noch bis zum 23.5.1945. Dann wurde auch er von den Alliierten verhaftet.

Am 8. Mai 1945 unterzeichneten die Alliierten und die Vertreter der deutschen Wehrmacht die »bedingungslose Kapitulation« der deutschen Streitkräfte. Die Alliierten übernahmen in Deutschland die Regierungsgewalt.

In den ersten Nachkriegsjahren ist der Musikverein nur »inoffiziell« tätig gewesen. Sein Spielen »mit kleiner Besetzung« beschränkte sich auf die Teilnahme an den jährlichen Prozessionen. Es dauerte ein bis zwei Jahre, bis Theodor Ruschepaul mit einigen Getreuen den Mut fasste, den Musikverein neu aufzubauen. Hierüber mehr im vierten Abschnitt unserer Geschichte: »In der neuen Freiheit«.

Tourismus im Hönnetal von 1934 – 1939

Am 4.5.1934 wurde in der Hönnezeitung angekündigt, dass in den nächsten Wochen von Essen fünf Extrazüge mit ca. 1000 Tagesgästen unser schönes Balve respektive Hönnetal besuchen würden. Am 13.5.1934 trafen 1000 Eisenbahner aus Essen im Tal ein. Viele stiegen bereits in Klusenstein, Binolen und Sanssouci aus. Der Rest besuchte die Stadt Balve. (..)   

Entsprechend der Ankündigung vom 4. Mai 1934 trafen in den nächsten Wochen weitere Sonderzüge ein, jeweils am Bahnhof mit Musik begrüßt wurden. Auch die Besichtigung des Heimatmuseums bildete einen Teil des Programms.   

Am Sonntag, dem 17. Juni 1934, fand in Balve einen „großes Treffen der SA“ statt. Die „Rote Erde“ schrieb in ihrer Vorankündigung am 15.6.1934: “Der gesamte Sturmbann II der Standarte 218 wird in unserer Stadt einen großen Aufmarsch haben. Dies ist umso bedeutungsvoller, als auch an diesem Sonntag wieder ein Sonderzug der Eisenbahner aus Essen in Balve sein wird und auch die sportlichen Kämpfe des ganzen Sturmbanns hier ausgetragen werden.“ Das Tagesprogramm hatte folgenden Verlauf: „8:15 Uhr: Gottesdienst in der Balver Pfarrkirche, 9:00 Uhr: Sportwettkämpfe auf dem DJK Platz, 14:00 Uhr: Antreten der SA-Formationen auf dem DJK-Platz zum Aufmarsch“. Am Abend fanden die „Sportbälle“ in den Gaststätten von Balve statt.   

Am 26.5.1935 trafen zwei Sonderzüge aus Wesel mit eigener Musikkapelle in Balve ein. Am 29.5.1935 berichtete die Hönnezeitung von einem Sonderzug von Arbeitern und Angestellten der Krupp-Werke aus Essen, die von der Balver Musikkapelle vom Bahnhof abgeholt wurden. (…)

Im Juni und Juli 1935 kamen weitere Sonderzüge nach Balve, die wie gewohnt vom Musikverein am Bahnhof abgeholt und bis zur Stadtmitte geleitet wurden. (…)

Anfang September 1936 traf ein weiterer Sonderzug mit 1000 Gästen in Balve ein. Der Musikverein begleitete ihn vom Bahnhof bis zur Stadtmitte. ​  

Am Sonntag dem 4.7.1937 traf ein weiterer Sonderzug, diesmal aus Essen, am Balver Bahnhof ein und wurde vom Musikverein Balve begrüßt und zur Stadt geleitet. 

​Am Sonntag dem 11.7.1937 traf ein Sonderzug aus Dortmund mit 1000 Teilnehmern in Balve ein, am 17. Juli kamen zwei Sonderzüge und vom 20. Juli ein weiterer Sonderzug aus dem Industriegebiet nach Balve. Die Sonderzug-Teilnehmer wurden mit Marschmusik vom Musikverein nach Balve geleitet. ​

Am 20.5.1938 berichtete die Hönnezeitung über eine Sitzung des Verkehrsvereins, wonach 1938 in Balve 1609 Gäste mit 10.019 Übernachtungen, 1936 hingegen 2232 Gäste mit 10.120 Übernachtungen weilten; hierin waren die Tagesgäste (Sonderzüge) und die Erholungsgäste im Krankenhaus nicht enthalten.   

​Am 10.6.1939 kamen zwei Sonderzüge mit insgesamt 2500 Gästen aus Bochum nach Balve. Der Musikverein geleitete sie mit Musik vom Bahnhof in die Stadt. ​

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Exkurs: In der Ausgabe der „Roten Erde“ vom 15.6.1934 wurde der Inhaber der Gaststätte “Sanssouci“ scharf angegriffen, weil er „unter Beschimpfungen gegen den Nationalsozialismus und dessen Gaupresse“ es abgelehnt hatte, die „Rote Erde“ zu beziehen. „Stichworte“ der Westf. Landeszeitung „Rote Erde“ gegen den Pächter des „Ausflugslokals Sanssouci“, Wilh. Wienböker:

Das herrliche Tal im Sauerland ist weit und breit bekannt und wird besonders von Hagenern sehr gern als Erholungsstätte aufgesucht. Mitten in diesem idyllischen Tal liegt das bekannte Ausflugslokal »Sanssouci«. Dass der Pächter dieses Lokals als einer der schwärzesten Reaktionäre anzusprechen ist, dürfte den meisten Besuchern nicht bekannt sein. Dieser Gastwirt konnte es z.B. nicht unterlassen, vor einigen Tagen einen höflich bei ihm vorsprechend Werber der WLZ gegenüber in der pöbelhafteten Weise gegen den Nationalsozialismus und dessen Gaupresse hetzen. In Zeiten der Bonzokratie gaben sich außer Zentrumsleuten aus der näheren Umgebung in der Hauptsache Juden mit ihren »Dämchen« in Sanssouci ein Stelldichein. Nach dem Gebaren des Wirtes muss angenommen werden, dass er auch heute noch auf solche Gäste besonderen Wert legt; das mag erhalten wie er will. Sicherlich aber werden sich alle wahrhaften Nationalsozialisten und vor allem unsere Parteigenossen das Betragen des Sanssouci-Wirtes merken und nur dort verkehren, wo der Gastwirt eine andere Auffassung vom Nationalsozialismus hat und im übrigen auch eine nationalsozialistische Zeitung hält.

Was die Beleidigungen angeht, die sich der Pächter der „Sanssouci“ hat zu Schulden kommen lassen, so wird darüber an anderer Stelle noch ein sehr deutliches Wort gesprochen werden.

Aufzeichnungen von J. Lenze