Innenstadt 2: Das Kaiserliche Postamt

Theo Bönemann schreibt in seinem Buch Post im Sauerland – Eine historische Rückblende: „Eine Cariolpost, die der Personenbeförderung diente, begann im Jahre 1836 ihren Dienst zwischen Balve und Altena. Bis dahin mussten die Balver Bürger gut zu Fuß sein, wenn sie in die Ferne wollten. Erst im Jahre 1841 gab es Verbesserungen durch eine neu eingerichtete Personenpost und eine eigene Posthalterei in Balve. Die Stadt errang im regionalen Postverkehr bald größere Bedeutung. Ein Jahr nach Betriebsbeginn war bereits für drei Postkutschen, sechs Pferde und drei Postillione zu sorgen. Posthalter Essing bediente die Personenposten auf den Linien Balve-Arnsberg, Balve-Altena und Balve-Iserlohn, sowie seit dem Jahr 1848 die anfangs stark benutzte und seit dem Jahr 1850 täglich fahrende zweispännige Personenpost Menden-Balve“ .

Verabschiedung der letzten Postkutsche mit großem Volksaufgebot

Im Jahr 1890 mietete sich das Postamt in das neue repräsentative Gebäude an der Hauptstraße ein. Es war von Sparkassenrendant Heinrich Cramer in spätklassizistischer Manier erbaut worden und wurde zunächst als Fremdkörper in der alten Balver Stadtmitte mit ihrer bäuerlichen Fachwerkstruktur erlebt. Es bot nun genügend Platz für die Dienstzimmer und eine kleine Dienstwohnung.

Mit der Eröffnung der Hönnetalbahn im Jahr 1912 endete das Zeitalter der Postkutschen im Hönnetal. Man freute sich auf die neue Eisenbahn und die bessere Verkehrsverbindung durch das Hönnetal, und trauerte zugleich den alten „romantischen“ Postkutschen nach.

Kaiserliches Postamt. Daneben Haus Lübke (Milchladen etc.)

Post- und Telegrafenamt

Im gleichen Jahr zog die Post um und machte das Gebäude für die Sparkasse frei. Als neues Postgebäude diente das „Post- und Telegrafenamt“ in Wilmes Haus (heute Hauptstraße 33), einem gleichmäßig proportionierten Fachwerkbau mit ortstypischem Walmdach wie die meisten Häuser in Balve. Dieses Fachwerkhaus wurde leider im Jahr 2011 abgerissen. Heute befindet sich an der Stelle ein kleiner Stadtpark.

Blick in das Post- und Telegrafenamt

Über die bauliche Unterbringung zu dieser Zeit findet sich bei Bönemann ein deftiger Leserbrief vom 21. April 1931 aus dem Archiv des Märkischen Kreises, abgedruckt in der „Hönne-Zeitung“ (siehe unten). Noch im Oktober gleichen Jahres erhielt der Bürgermeister die erfreuliche Nachricht, daß das Posthaus in modernster Weise ausgestattet und der Fernsprechdienst automatisiert wurde, damit sich Balve in seinen Posträumen wieder „sehen lassen konnte“.

Ab 1963 fand das Balver Postamt dann seinen neuen Standort am Widukind-Platz, im Anbau zum neuen Rathaus.

Sparkasse Balve

Im Jahr 1912 zog die Sparkasse, seit ihrer Gründung 1881 30 Jahre lang in der Stadtmitte angesiedelt (heute Hauptstr. 21, alte Blasius-Apotheke), in die freigewordenen Räume des Kaiserlichen Postamts ein. Über dem Eingang auf der linken Seite der Fassade wurde das Balver Wappen angebracht, anstelle des früheren „Kaiserlichen Siegels“. Ein massiver Tresor wurde eingebaut. Der umtriebige Erbauer Rendant Heinrich Cramer erlebte noch diesen Umzug. Er übergab die Leitung der Kasse an seinen Sohn (ebenfalls Heinrich) und starb 1913. Die Sparkasse blieb dort bis in die Nachkriegszeit, als Platzprobleme erneut zum Umzug zwangen.

Die Volksbank Balve übernahm schließlich die Geschäftsstelle im Kaiserlichen Postamt. Mit dem Abriss des alten Rathauses in der Stadtmitte im Jahr 1953 war nämlich der Platz für einen Neubau der Sparkasse frei geworden, der dem alten Rathaus stark nachempfunden war und in welchem die Sparkasse bis 1968 residierte.

Dann folgte der Umzug in das heutige moderne Sparkassengebäude, die umgebaute und erweiterte frühere Molkerei an der Hönne. Zum Zweck der Erweiterung wurde die Hönne überbaut. Die Volksbank Balve übernahm nun das Haus mit dem Glockenspiel, in dem sie seitdem ihren Standort hat.

Buchhandlung Waßmuth

Die Räume des leer stehenden „Kaiserlichen Postamts“ gingen 1950 an die angesehene Buchhandlung Waßmuth, an die sich viele Balver gerne erinnern (vgl. Jürgen Waßmuths spannende Romanbiografie seines Vaters Wolfgang: Splitter am Herzen). Ein großes Ausstellungsfenster im Stil der Nachkriegszeit war zur Hauptstraße hin vorgebaut worden, und der Zugang nach rechts verlegt. Wegen des enormen Gewichts verblieb der „begehbare Sparkassentresor“ weiter in den Räumen der Buchhandlung und wurde als „Reisebüro“ genutzt.

1984 erfolgte die Unterschutzstellung des spätklassizistischen Hauses (Eintrag in die Denkmalliste mit Nr. 57). Später wurde das Haus von Wolfgang Waßmuth erworben und im Zuge der Renovierung schließlich auch der Sparkassentresor entfernt.

Café Kaiserliches Postamt

Der Umbau zum Café erfolgte 2006/07 (siehe hier). Die alte Schaufensteranlage wurde durch eine neue ebenerdige Anlage mit verschiebbaren Holzfenstern zur Straße hin ersetzt (barrierefrei), Haustechnik und Dachstuhl wurden erneuert und ein Fahrstuhlschacht realisiert. Die Stuckfassade wurde fachgerecht restauriert und der Schriftzug „Kaiserliches Postamt“ angebracht. Simone und Jürgen Känzler kauften das Ober- und Dachgeschoss von der Arnsberger Betreibergesellschaft, und bauten es für Wohnzwecke aus.

Bei der Neugestaltung des Inventars als Café legte die Bäckerei Sondermann Wert auf Tradition. Mit Unterstützung der Balver Heimwacht (Werner Ahrens) wurden alte Photographien der Balver Hauptstraße und des Gesellschaftslebens aus der Zeit um die Jahrhundertwende aufgespürt und reproduziert, die heute die Räume schmücken. Durch die zu öffnenden Schiebefenster war im Sommer eine weiträumige Öffnung des Cafés zum Bürgersteig hin möglich. Dieser Außenbereich unter den beiden Linden wird von der Bevölkerung gerne angenommen.

Ab 2014 übernahm die ortsansässige Bäckerei Tillmann den Betrieb der beliebten Location im Zentrums Balves. Mit der angeschlossenen Eisdiele verfügt Balve heute über einen attraktiven Treffpunkt, mitten in der City.

Für das Problem der lauten Bundesstraße zeichnet sich inzwischen auch eine Lösung ab (geplante Verlegung der B229).

Hauptstraße. Links das Balver Rathaus. Davor Gaststätte „Sumpf“

Leserbrief vom 21. April 1931

Man braucht sich in Balve über merkwürdige Begebenheiten an der Post durchaus nicht zu wundern. Der einzige Postdienstraum, vielleicht 20 qm groß, sieht aus, als wenn der Postmeister Husemann vor ca. 50 Jahren noch am Leben wäre. Befindet sich doch in diesem Raum der Schalterbetrieb, Verteilung, Annahme, Abfertigung, Paketannahme Verwiegung derselben, Geldschrank, Abstempeltisch. Und was das übelste ist, steht der Apparat zum Abgeben der Telegramme in demselben Raum, so daß das am Schalter wartende Publikum jedes abgegebene Telegramm hört und das Telegramm-Geheimnis dadurch vollständig preisgegeben wird. Die Telefonzelle befindet sich im Schaltervorraum. Auch da kann man bei ruhigem Betrieb ganz gut hören, was gesprochen wird. Pakete mit den verschiedensten Sachen müssen durch den Briefschalter gereicht werden.

Die ganzen Verhältnisse sind so primitiv, daß unser Postamt ruhig in Polen sein könnte, daß die Post mit Pferden bestellt würde und alle acht Tage eine Drucksache unter „persönlich“ einliefe. Es ist noch nicht lange her, daß ein Mitbürer von uns einen Brief per „Einschreiben“ erhielt, der in Balve am 29.November 1929 aufgegeben war und am 5. oder 6. April 1931 den Adressaten erreichte. Die vorhin geschilderten Zustände beweisen, daß den hiesigen Beamten keine Schuld an diesen Vorkommnissen beizumessen ist; sind dieselben doch gezwungen, in diesem Durcheinander tagtäglich zu arbeiten. In unserem Nachbarort Sundern legt die Post ca. hunderttausend Mark an, und in Balve werden die einfachsten Forderungen, die man an einen geregelten Postbetrieb stellt, nicht erfüllt. Es ist erfreulich zu hören, daß unser Artikel weitere Kreise in Bewegung setzt, um die gerügte Mißstände recht bald zu beseitigen“.

Telefonistin im Balver Post- und Telegrafenamt

Bronzetafel zum Stadtbrand

Wer die Mühe nicht scheut, ein paar Schritte rechts in die Bogenstraße zu schlendern, entdeckt dort das Geburtshaus des Komponisten, Kirchenmusikers und Heimatdichters Theodor Pröpper. Schräg gegenüber findet sich ein besonderes Kleinod, das in Balve wenig bekannt ist: Eine Bronzetafel, die den Stadtbrand von 1789 plastisch darstellt. Angebracht ist es am Haus Bogenstraße 3. Diese interessante Tafel aus den 1960er-Jahren findet sich leider an einer ungünstigen Stelle, direkt unter dem Straßenschild „Einbahnstraße“. 

Aus der Nähe betrachtet zeigt die Tafel eine Fülle von Details beim Stadtbrand: Menschen, die Löschwasser aus dem Stadtgraben schöpfen, flüchtende Tiere, rennende Feuerwehrleute mit Brandleitern, eine Menschenkette mit Löscheimern, die lichterloh brennende Stadt.

Bronzetafel zum Stadtbrand in Bogenstr, 3

Der dramatische Brand von 1789 vernichtete das mittelalterliche Balve nahezu vollständig und führte zum Abriss der wehrhafen Stadtmauer und dem planvollen Neuaufbau der Stadt. Die Hauptstraße wurde zum Feuerschutz breit angelegt, wie auf alten Fotos noch gut zu sehen ist.