Herkunft und Geschichte

 translate    vertalen

Ein alter Ortsname

Im Kloster Werden wurde – der Vita Ludgeri nach – im 9. Jahrhundert auf wundersame Weise ein Mädchen von einem Augenleiden geheilt. Seine Eltern lebten im Hönnetal in einer „villa ad ballowa“. Darunter verstand man eine große, wahrscheinlich „herrschaftliche“ Hofanlage mit Nebengebäuden und Nebenwerken. In anderen Urkunden wird die Siedlung Ballawa, auch Ballau genannt. Balver Ritter führten im Mittel­alter den Namen de Ballewe, von Ballevan u.a.

Die nordische Dietrichssage (13. Jahrhundert) berichtet von einem Berg Ballofa, in dessen Höhlung Wieland der Schmied bei zwei Zwergen das Eisen- und Goldschmiedehandwerk erlernt haben soll. Er erschlug seine Lehrmeister, um sein Leben retten zu können. Nordischen Fassungen der Tidreksage nach befand sich die Schmiedewerkstatt im Berg Kallawa, Kallafua oder Kallaelffua. Diese Altnamen Balves sind jeweils auf vorgermanische (frühkeltische) Sprachwurzeln zurückzuführen:

einmal auf bal(l) + awa, afa, ava
oder auf: kal(l) + aw, afua, elffua

Burg KlusensteinZu einem Wort gefügt, beschreiben die oben genannten sprachlichen Gebilde (Silben, Wörter) eine hohe, steile, helle (kalte) Felspartie am Rande einer Aue bzw. eines Gewässers in einem engen Tal. Diesen aufragenden, hellen Kalkfelsen gibt es heute noch heute. Bis zum Bau der Hönnetalbahn vor rund 100 Jahren bildete er mit den gegenüberliegenden Felsklippen das Zentrum einer ­„romantischen“ klammähnlichen Schlucht. Auf dem steil ansteigenden, nackten Felsen thront in ca. 50 m Höhe seit dem Mittelalter die Burg Klusenstein.

Nach „ballowa“ wurde vor vielleicht 3.000 Jahren eine nahe Siedlung benannt. Nachfolgende Siedler übernahmen den Berg- und Ortsnamen als Landschaftsbezeichnung. Im neunten Jahrhundert wird ihn auch der Haupthof eines sächsischen Edelings, bei dem das wundersam geheilte Mädchen wohnte, getragen haben. Ballowa wurde – lautlich oft verändert – der Name einer Region (eines germanischen Gaus), dann einer Markgenossenschaft, schließlich eines kurkölnischen Amtes und Amtsgerichts.

Stadtansichten

Die Stadt Balve ist aus zwei Höfen sächsischen Ursprungs entstanden: Dem Oberhof und dem Niederhof, der bei der späteren Befestigung der Stadt in die Mauer einbezogen wurde (Balver Buch 1930, Seite 155), und wohl in enger Verbindung zum „adelichen Haus“, dem Drostenhaus stand. Die genaue Lage des alten Niederhofs ist nicht bekannt, seine Existenz aber gut dokumentiert. Vermutet wird der Bereich der Hönnefurt bei der Lohmühle (Mündung des Stadtgrabens). Der Oberhof wiederum war das ummauerte Areal der Kirche (später auch „Lateinisches Viertel“ genannt). 

Eine wirklichkeitsnahe Stadtansicht von 1733, also noch lange vor dem Stadtbrand, wurde als Sepia-Zeichnung in der Kartensammlung des NRW-Staatsarchivs Münster gefunden. Sie zeigt das mauerumwehrte Rechteck, in dessen Schutz eine Reihe unterschiedlich großer Häuser angesiedelt sind. Links die „Obere Pforte“ bzw. „Kirchpforte“, mittig der Dachreiter des alten Rathauses mit der vorgelagerten Stadtkapelle und rechts das gegen Ende des 17. Jahrhunderts errichtete Drostenhaus, letzteres sehr sorgfältig und wirklichkeitsnah dargestellt. Auch die Lage der St.-Blasius-Kirche „extra muros“ (außerhalb der Stadtmauern) ist korrekt wiedergegeben. An der Stadtmauer fehlen die Wehrtürme. Besonders hervorgehoben: Die ,,Clause“ an der Balver Höhle sowie die Gransauer Mühle.

Erst nach der Erhebung zur Stadt durch den Kurfürsten Dietrich von Moers im Jahre 1430 umschlossen die Bürger auf kurkölnische Anordnung hin ihre Anwesen mit starken Mauern. Zwei Tore und vier Ecktürme ergänzten das neue kurkölnische Bollwerk gegenüber der Grafschaft Mark. Die Stadt wurde Grenzfeste. Kriegerische Wirren zwischen Kurköln und der Mark beschleunigten den Bau der Befestigungen. Das Mauerwerk soll eine Stärke von 2 m und eine Höhe von 7 m erreicht haben. Wahrscheinlich war es rundum mit Schießscharten versehen. Bis zu 200 wehrfähige Männer verteidigten ihre Stadt bei Bedrohungen.

Ältester Stadtplan von Balve: Ausschnitt aus dem „Situations-Plan der Stadt Balve hinsichtlich der dortigen Fluthen und Überschwemmungen entworfen von Frid. Wulf – Monat August 1805“, nach einer Fotografie aus dem „Balver Buch“ von 1930. Bachläufe und Stadtgräben sind in dieser nach Süden ausgerichteten Darstellung farblich hervorgehoben. Die winzigen handschriftlichen Einträge wurden nachträglich lesbar gemacht (Originalfassung auf der Webseite balverland.de abrufbar). Der Plan wurde von Werner Ahrens grafisch bearbeitet. Das Original ist unauffindbar.

Der Stadtplan des Landvermessers Friedrich Wulf von 1805 zeigt ein ungleichmäßiges Viereck von jeweils etwa 200 m Seitenlänge mit Ecktürmen, zwei hölzernen Torwerken und einer Seitenpforte. Zug­brücken über die Wassergräben stützten die Wehrfähigkeit der Stadt.

Viele Straßen – die heutige Meller Straße, die Straße nach Langenholthausen (heute B229) und die Garbecker Straße – fehlen noch im Plan. Lediglich die alte „Landstraße nach Cöllen“ und die Wege entlang der Hönne nach Garbeck und Arnsberg sowie Mellen sind eingezeichnet.

Die ,,Festung Balve“ stand auf nassem Grund. Der Plan aus der hessischen Zeit diente der Verbesserung der Hochwassersituation (Schutz gegen „Fluthen“). Es ging vor allem um die Abführung der offenen Wasserläufe Murmkebach und Küttelbieke (= Abwasserbach, der quer durch Balve lief). Eine Kanalisation gab es noch nicht. 

Der Plan belegt die Gefahr von Überschwemmungen der Innenstadt aus den damaligen Hohlwegen – Karrenwege nach Garbeck und Küntrop. Bei Stark­regen trafen Hochwasser aus mehreren Richtungen bei der alten Vikarie zusammen. Hinzu kam das hohe Grundwasser in Balve mit seinen vielen Quellen im Ort. Diese Umstände dürften zu den schweren Überflutungen der Stadt Balve beigetragen haben. Die damals gebräuchliche spöttische Bezeichnung „Schlamm-Balve“ wird so verständlicher.

Der Murmkebach floss offen die Hauptstraße entlang, südlich von Pfarrhaus und Kirche (also rund um das „lateinische Viertel“), dann am „Kirchenspring“ vorbei (heutiger Hoffmeister-Pröpper-Brunnen) und weiter über den Stadtgraben in die Hönne. Der Bachlauf südlich des Kirchplatzes diente wohl dem Zweck, die Pfarrkirche vor Hochwassern zu schützen. Beim Haus Brunswicker (heute Gercken) und vor der Kirche sind kleine Übergänge eingezeichnet. 

Eine neue, geradlinige Wasserabführung sollte her. Ein „anzulegender Damm“ in Höhe des „Dicken Turms“ (etwa beim heutigen Rathaus) sollte Überflutungen der Innenstadt aus dieser Richtung abwenden. Die Pläne wurden aber nur teilweise umgesetzt. Im Jahr 1806 wurde die Murmke durch das alte Bett am Fuß des Husenbergs entlang geführt (nördlich der Pfarrkirche), und dabei zum Teil kanalisiert, entsprechend dem Plan. Ab der Küsterei verlief der Bach nun wieder offen am Garten von Haus Bruns­wicker vorbei in den Stadtgraben.

Drei Tore unterbrachen das Mauerwerk: Im Norden die Niedere Pforte (Wasserpforte), im Süden die Obere oder Kirchpforte, im Westen ein gesicherter „Mauer­durchschlupf“. Er führte über den Wassergraben (Gräfte) zu einem Gerberei­betrieb mit Werkstätten, Insthaus, Teich und Trockenwiese.

Die „Straße“ von Tor zu Tor war bis zu ihrem Ausbau um das Jahr 1800 ein unbefestigter Karrenweg mit seitlichen Abflussrinnen. Schmutz- und Abwasser der Häuser wurden freilaufend über die Küttelbieke der Hönne zugeführt. Bis zur Kanalisierung der Stadt um 1910 waren Viruserkrankungen keine Seltenheit.

Mauern, Türme und Tore wurden mit der Weiterentwicklung weittragender Feuerwaffen wehruntüchtig. Die Werke verfielen zusehends. Nur der sog. Richterturm im Nordwesten wurde 1745 noch einmal ausgebessert.

Schließlich ordnete der Rat im Jahr nach dem großen Stadtbrand den Abbruch der verfallenden Mauerruinen an. Sie standen der Entwicklung der wachsenden Stadt im Wege. Eine enge Bebauung wurde nicht mehr erlaubt. Die Steine wurden für den Neubau der Häuser verkauft. 

Op deam Plasse

Der geschichtsträchtige Name „Op deam Plasse“ ist nur noch wenigen bejahrten Balver „Pohlbürgern“ erinnerlich.

1952 entschieden sich die Stadtväter, den „Plazza“ in „Am Drostenplatz“ umzubenennen. Plasse ist eine Ableitung aus dem lateinisch-italienischen Piazza. Der Balver Plasse, auch Platza genannt, lag unmittelbar vor dem Drostenhaus, dem (zeitweisen) Sitz Kurkölner Amtsmänner (Stadt-, Amts- und Landdrosten) aus den Adelshäusern Amecke, Melschede und Wocklum.

Die genaue Abgrenzung (Größe) des mittelalterlichen Plasse ist unbekannt, ebenso der genaue Standort des festen Hauses (der „Burg“), in dem die ministerialen bzw. Ritter von Baleu, von Baleve, de Balve u.a. im Mittelalter zeit­weise residierten. Vermutlich war die „Balver Burg“ das erste steinerne Haus der Ortschaft. Irgendwann wurde es Opfer der Zeit, d.h. aufgegeben und abgerissen. 

Entwicklung des Stadtbildes

Zahlreiche Stadtbrände zwischen 1584 und 1789 zerstörten immer wieder große Teile der Stadt. Zur schnellen Verbreitung des Feuers trug die Bauart (Stroh­dächer) und die enge Bebauung der Häuser innerhalb des Festungsgevierts bei.

Beim Brand von 1789 wurden von 85 Häusern 64 zerstört. Danach wurde die Stadtmauer abgetragen und die Häuser mit größeren Abständen zueinander neu aufgebaut. Die Steine aus der Mauer wurden zum Wiederaufbau verwendet. Die Ausdehnung der Stadt erfolgte in Richtung Mühlenkamp, da die anderen Flächen Gärten und Wiesen von guter Qualität enthielten. 

Der Stadtplan wurde vom Landmesser Gipperich entworfen, mit klaren Vorgaben zum Brandschutz. Festgelegt war, dass jeweils nur zwei Häuser unmittelbar an­einander gebaut werden durften, dann folgte ein Zwischenraum von 40 Fuß. Dieses Maß, eine enge Gasse zwischen zwei Häusern, mit deutlichem Abstand zur nächsten Gruppe, ist auch heute noch in der Innenstadt sichtbar.

Eine Skizze aus der Zeit nach dem Stadtbrand belegt, wie in perfekter Symmetrie geplant wurde (rotgestrichelte Linien), und was tatsächlich realisiert wurde (schwarz). Eine sichere Zuordnung der Skizze zur heutigen Topographie ist nicht möglich. Der Text lautet: „Topographische Verzeichnung eines Theils der Stadt Balve. Die in rotpunktierten Linien eingeflossenen Vierecke bezeichnen Hausplätze, wie diese gemäß dem von der Kurfürstl. Regierung zu Bonn gutgeheißenen und vorgeschriebenen Bauplan sollten bebauet werden. Die schwarzverzeichneten Vierecke bedeuten die Hausplätze wie sie wirklich bebauet sind“.

Ein Jahrzehnt später wurde die breite, schnurgerade Magistrale durch die Mitte des Ortes angelegt (vgl. A. Höynck 1876: Der Brand von Balve im Jahre 1789). Bereits im Balver Buch von 1930 heißt es: „Jedenfalls hat die alte Stadt mehr Winkel und Ecken gehabt als die heutige, war mit ihren gleichmäßigen Fachwerkbauten mit Stroh- und einigen Schieferdächern, mit ihren wenigen, auf engem Raume ausgesparten Gärtchen, ihren Scheunen und hie und da von Hofplätzen und an den Straßenecken aufragenden Eichbäumen bei weitem malerischer als heute, wo man, wie überall an der geschmacklosen Bauweise der jüngsten Vergangenheit nicht vorbeigekommen ist, wo man aber auch leider die nach 1789 gewonnenen breiteren Straßen wieder zu verengen und zu verbauen unternimmt“ (Dr. E. Allhoff: ,,Zur Geschichte der Stadt Balve …“, p. 176).

Das alte Amt Balve

Das Amt Balve lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Es bestand neben der Stadt Balve noch aus mehreren Kirchspielen und Bauerschaften.

Seine größte Ausdehnung hatte das Amt seit der hessischen Verwaltungsreform 1811 und dem Übergang an Preußen 1817. So gehörten ab 1811 die Stadt Allendorf, die Freiheit Hagen, die Freiheit Affeln, die Freiheit Langscheid und die Schultheißenbezirke Küntrop, Altenaffeln, Hövel, Holzen vorm Luer, Stockum und Amecke zum Gebiet des Amtes Balve. Um 1960 hatte das Amt nur noch eine Ausdehnung von 117,5 km² mit 10616 Einwohnern. Im Zuge der kommunalen Gebietsreform 1969 wurden Affeln und Altenaffeln sowie Blintrop der Stadt Neuenrade zugeordnet; später kam Küntrop hinzu. Im Kreis Arnsberg verblieb das Amt Balve bis zu seiner Auflösung im Jahr 1975. 

Amtsdrostenzug im Drostenhauskeller. Von Dr. Uwe Bathe

Amtsleute oder Drosten waren seit dem Ende des 14. Jahrhunderts Mitglieder der Adelsfamilie von Schüngel (vgl. Inschriften im Mausoleum, dem  sog. „Wocklumer Häuschen“ auf dem Kirchplatz). Diese wurden später von den Adligen von Hatzfeld abgelöst. Danach stellten die von Wrede die Amtmänner. Seit 1685 bis zum Ende des Herzogtums Westfalen waren die von Landsberg Inhaber des Amtes.  

In den Jahren 1830 bis 1900 befand sich die Amtsverwaltung in prominenter Lage an der oberen Hauptstraße (heute Dechant-Amecke-Weg 2). Das Amtsgericht war getrennt davon untergebracht und befand sich von 1832 bis 1884 im Haus Alte Gerichtsstraße 9, heute die Balver Polizeiwache. Dann erfolgte der Umzug an die Hönnetalstraße.