Innenstadt 8: Durch die Drostengasse zum Drostenhaus

Die Drostengasse erhielt ihren Namen, nachdem das markanteste Gebäude der Stadt, das Drostenhaus, vor dem geplanten Abriss gerettet war. Heute findet rund um das Drostenhaus der bekannte Balver Weihnachtsmarkt statt.

Der Drostenplatz bezeugt beispielhaft die wechselvolle Geschichte Balves. Nach H.H. Hochkeppel stand hier im 8./10. Jahrhundert der Niederhof, ein sog. Haupthof im Besitz eines sächsischen Edelings. Das Anwesen wurde Kern einer Ansiedlung an einer Hönnefurt, schließlich Mittelpunkt eines Siedlungsverbandes (Gaus), aus dem sich im Mittelalter eine befestigte Stadt entwickelte (1430). Sie war bis 1975 Zentrum eines gleichnamigen Amtes mit zeitweise über 20 Gemeinden – bis vor die Tore Arnsberg, Sundern und Plettenbergs.

Während der Amtszeit des Drosten Hermann von Hatzfeld erhob der Kölner Erzbischof und Kurfürst 1567 das Amt Balve in den Stand einer „Kellnerei“. Der Droste und seine Räte hatten nun auch außerhalb des Amtes Balve liegende abgabenpflichtige Güter und Ländereien Kurkölns wirtschaftlich und fiskalisch zu betreuen.

Um dem größeren Verwaltungsaufwand gewachsen zu sein, ließ Landdroste von Hatzfeld ein für damalige Balver Verhältnisse hochmodernes steinernes Gebäude, das sogenannte Drostenhaus, planen. Seine Vorstellungen konnten aber wohl erst nach seinem Unfalltod 1600 verwirklicht werden. Nur wenige Jahrzehnte wurde das Gebäude als Amtssitz eines Drosten genutzt und schließlich an private Nutzer verkauft. Das Gebäude schien zu verfallen. 

Anfang der siebziger Jahre sollte es – nun im Besitz einer Erbengemeinschaft – abgerissen und das Grundstück einer „modernen“ Bebauung zugeführt werden. Heimatbewussten Bürgern gelang es, den Abriss des Hauses zu verhindern. Die „Planbau Balve“ übernahm – dank erheblicher Landeszuschüsse – die Rundum-Restaurierung.

Das Gebäude gehört heute zu den besonderen Sehenswürdigkeiten Balves. Es wird als Domizil des Männerchors Balve genutzt – gesungen wird im eindrucksvollen Dachstuhl. Weiter wird es als Praxis, Wohnung und Vereinslokal eingesetzt. Die Gaststättenräume im gemütlichen Kellergeschoß werden zur Zeit nicht genutzt. Zukünftige Nutzungsänderungen im Interesse des Gemeinwohls sind in Planung. 

Natur- und Denkmalschutz in Balve

Bedeutende Natur- und Kulturdenkmäler der Stadt Balve konnten durch Bürgersinn und Widerstand gegen Abriss- und Neuordnungspläne erhalten werden und stehen heute unter Denkmal- bzw. Naturschutz: Die Felsformationen des Hönnetals, die Balver Höhle, die Klause bei der Höhle, die alte Vikarie (früher Altentagesstätte), Häuser von der alten Gerichtsstraße (Altes Gericht, Lohgerberhaus) bis zur Hofstraße, Haus Cordes (heute DEVK und Standesamt), Haus Liese, das Drostenhaus, zuletzt das Küsterhaus an der Kirche.

Nicht vor dem Abriss zu retten waren das Stadtbild prägende Objekte wie das alte Rathaus, Gasthaus Bathe („Sumpf“), die alte Balver Volksschule und die charakteristische Hönnebrücke am Eingang der Hauptstraße. Zuletzt musste das frühere Post- und Telegrafenamt im Jahr 2011 dem Abrisshammer weichen, zugunsten eines kleinen Stadtparks mit Bücherschränkchen.

Vielfältige private und öffentliche Initiativen und Beiträge zum Denkmalschutz und zur Erhaltung des Stadtbildes wurden in der Folge geleistet. Beispielhaft sind die Leistungen der Stadt Balve, des Märkischen Kreises und der Kirchengemeinde St. Blasius. Beispiele: Die Restaurierung der alten Pastorat, des „Mausoleums“, der „alten Mädchenschule“, des Agatha-Bildstocks, des Hoffmeister-Pröpper-Brunnens und weiterer bedeutender historischer Objekte. Die Erhaltung vieler dieser Objekte gelang nur mit Hilfe privater Spenden in erheblichem Umfang (jüngste Beispiele: Die Restaurierung des Hoffmeister-Pröpper-Brunnens und des Agatha-Bildstocks durch die Heimwacht; der Erhalt des Küsterhauses durch die Kirchengemeinde).

Der Kirchturm der Pfarrkirche wurde im Jahr 2010 vollständig restauriert und vor dem Verfall gesichert. Gegen die Pläne der Diözese konnte die ursprüngliche und für Balve so typische Bruchsteinfassade erhalten werden. Im Inneren der Pfarrkirche wurden die kostbaren romanischen Fresken jüngst mit öffentlichen Mitteln gesichert und kunstvoll restauriert.

Innenstadt 7: Der Bürgerbrunnen in der Dreikönigsgasse

Viele Jahre zierte ein unwirtliches Ruinengrundstück an der Hönne die Drei-Königs-Gasse. Die Sparkasse erwarb das Areal. Sie wollte das Gelände bürgerfreundlich gestalten und schlug vor, einen begrünten Parkplatz mit einem Brunnen errichten zu lassen.

Ein Vorschlag, den Brunnen mit Gestalten bekannterweise Balver Bürger zu versehen, wurde angenommen. Auf dem Weg von der Idee bis zu ihrer Verwirklichung waren natürlich manche Diskussionen zu überstehen.

Abbildung: Hermann Hering

Der „Bürgerbrunnen“ mit den sieben Bronzegestalten bereichert heute das Stadtbild. Verewigt wurden: Josef Pütter – Ehrenbürger, Heimatforscher und Schriftsteller, Theodor Pröpper – Ehrenbürger, Kirchenmusikdirektor, Heimatdichter und Komtur-Ritter, Elisabeth Jedowski – Geschäftsfrau, Hermann Hering – Ackerbürger und Bürgermeister, Albert Rapp – Bauunternehmer und Amtsbürgermeister,  Heinrich Thorwesten – Geschäftsmann, Wilhelm Hertin – Fabrikant.

Innenstadt 5: Der Garbecker Kirchweg und die Hexenstele

Oben am Galgenberg hinter dem Wachtloh befindet sich der Richtplatz, auf dem zwischen 1592 und 1666 viele sog. Hexen (Frauen und Männer) aus dem Amt Balve verbrannt wurden. An dieser Stelle befindet sich seit dem Jahr 2006 eine „Hexenstele“ aus Beton, zur Erinnerung an diese grauenhafte Zeit geistiger Verwirrung in der Bevölkerung. Man suchte nach Sündenböcken für Unheil, z.B. Missernten und Seuchen, und nahm Zauberei und Hexerei als Ursache an. Es war ein Klima ständiger Denunziation. Nur wenige Stimmen erhoben sich gegen den Hexenwahn.

Der Weg zum Richtplatz am Galgenberg führte damals von der Kirche aus über den Alten Garbecker Kirchweg zum Wachtloh, vorbei am Haus Allhoff und über die „Kreuzschlade“. Früher war dies einer von vier Hohlwegen, die in den Ort führten (vgl. Stadtplan von 1805). Der Weg wurde um 1930 gepflastert. Er ist seit 1905 ein Privatweg und durch ein schmiedeeisernes Gitter verschlossen.

Heute ist die Stele am Galgenberg in knapp 1 Stunde gemütlich zu Fuß zu erreichen, über die St. Johannes-Straße und den Garbecker Kirchweg zum Wachtloh. Der Fußweg und die Aussicht von der Südseite des Wachtloh lohnen den Weg allemal (siehe auch den Beitrag von Lisa Kaufmann: Balve sehen und sterben).

Die Geschichte von 1592 bis 1666

Der kleine Ort Balve war ein Zentrum der Hexenverfolgung im Herzogtum Westfalen. Hier wurden nachweislich zwischen 1592 und 1666 mehrere Hundert Menschen als Zauberer und Hexen verurteilt und ermordet. Allein zwischen 1628 und 1630 wurden fast 300 Menschen hingerichtet. Diese Massenvernichtung war vor allem das Werk eines fanatischen Hexenjägers, der im Westen und Südwesten des Herzogtums wirkte und dem mehr als 500 Menschen zum Opfer fielen.


Es war der Lizentiat Kaspar Reinhard (1596–1669), der so viel Angst und Schrecken verbreitete. Es wird berichtet, dass auf ihn im Jahr 1630 in Balve ein Attentat verübt wurde, als er mit Honoratioren der Stadt zu Abendessen saß. Er selbst wurde nur verletzt; der Gerichtsschreiber und ein Diener starben. Drei der Attentäter wurden gefasst und hingerichtet.

Auf dem Galgenberg brannten die Scheiterhaufen. 

Man schätzt, dass etwa jeder 20. Einwohner aus dem Amt Balve wegen „Hexerei“ hingerichtet wurde. Von vielen kennt man die Namen. Darunter sind ein Heinrich Balke zu Beckum, Rentmeister auf Schloss Melschede, Jörg Schulte aus Mellen, Kutscher und Baumeister des Drosten, der drei Wochen nach seiner Hochzeit umgebracht wurde, sowie die Frau eines Bürgermeisters. Ihr wurde vom Heimatforscher Josef Pütter in seinem plattdeutschen Gedicht ein anrührendes literarisches Denkmal gesetzt (Wachtläuh-Räusen: Op diäm Galgenbiärge löchtern blaurigräut de Häxenbriänne, un iähr Schwählen welt’re duister sik dür’t Land – bit an de Liänne).

Im Gedenken an die Hexenverfolgung ließ die Balver Heimwacht im Jahr 2006 die Hexenstele errichten, nicht weit von der Stelle, an der die Opfer zu Tode gebracht wurden. Der Text lautet: „Hier starben durch Schwert, Feuer und Galgen zirka 300 Frauen und Männer aus dem Balver Land im Hexenwahn im 16. bis 17. Jahrhundert.“ Die Betonstele hat eine Höhe von 2,50 Meter und befindet sich am Galgenberg.

Der Rat der Stadt Balve hat am 24. Juni 2015 die Opfer der Hexenprozesse in einem symbolischen Akt rehabilitiert.

Den Hexenwahn hat der Arnsberger Maler Heinrich Strotmann, ein Zeitzeuge, als Miniatur in einem Kreuzwegbild dargestellt, welches sich in der Balver Kirche befindet. Näheres zu dieser speziellen Bildinterpretation ist dem Buch „Ein verhextes Bild und ein feuriger Altar. Eine teuflisch grausame Zeit, das 16. und 17. Jahrhundert im Amt Balve“ von Werner Ahrens zu entnehmen; er war 25 Jahre lang bis zum Jahr 2017 Vorsitzender des Balver Heimatvereins „Die Heimwacht“. Das Buch enthält ausführliche Begründungen und Beschreibungen und großartige Fotos von Manfred Opitz, Neuenrade. 

Innenstadt 4: Hoffmeister-Brunnen und St. Blasius

Im Jahre 1921 gehörte der Balver Musikdirektor und Komponist Theodor Pröpper zu den Gründern der Balver Heimwacht und im gleichen Jahr, zusammen mit Franz Hoffmeister, zu den Gründern des Sauerländer Heimatbundes. Anlässlich der Gründung  im Jahr 1922 wurden die ersten kulturellen Veranstaltungen in der Balver Höhle von ihm und Franz Hoffmeister organisiert.

Hoffmeister-Brunnen

Im Gefolge des ersten sauerländischen Heimattages nach dem zweiten Weltkrieg im August 1951 in Balve (über 3.000 Teilnehmer) wurde der Brunnen Franz Hoffmeister zu Ehren am Aufgang zur Balver Pfarrkirche eingerichtet. Er wurde später durch ein Bronze-Portrait Theodor Pröppers im gleichen Stil ergänzt. Der Brunnen befindet sich am Platz einer natürlichen Quelle, dem „Kirchenspring“ (die Innenstadt verfügte aufgrund ihres hohen Grundwasserspiegels über mehrere Quelltöpfe).

Der Kirchplatz

Am Hoffmeister-Pröpper-Brunnen vorbei geht es über wenige Stufen zum Kirchplatz. Er verfügt über alte Bausubstanz. Von den sieben Stadtbränden, dem Schlimmsten im Jahr 1789, ist er verschont geblieben. Er liegt außerhalb des mittelalterllichen Festungsgevierts mit Stadtmauer und  Stadtgraben und verfügte früher über eine eigene Befestigung – eine Besonderheit in der Stadtentwicklung. Der Kirchturm war zugleich ein Wehrturm, der Schutzmöglichkeiten bei Angriffen bot. 

Im siebenjährigen Krieg rückten am Abend des 23. Juni 1761 französische Truppen in Balve ein. Sie legten auf dem Kirchhof eine Feldbäckerei an, brachen zum  Bau der 42 großen Backöfen die Kirchhofsmauer bis auf den Grund ab und rissen die Kirchenbänke „in Geschwindigkeit“ heraus, um mit diesen und den Obstbäumen und Zäunen der Pastoratswiese die Backöfen zu beheizen. Das Mehlmagazin wurde in die Kirche verlegt. Die französische Metzgerei wurde auf dem Gelände vor der Kirche eingerichtet (Garten Brunswicker/Gercken). Der Gottesdienst fand während dieser 8 bis 10 Tage im „Wocklumer Häuschen“, dem Mausoleum auf dem Kirchhof statt. An diesen Gottesdiensten im Freien nahm auch die französische Besatzung  teil. Auf die Balver habe es „einen ganz besonderen Effekt gemacht, als hier einst ein ganzes Regiment Soldaten das »veni creator spiritus« sang“.

Entstanden ist das Kirchenareal nach H.H. Hochkeppel an der Stelle des alten Oberhofes, einem der beiden Höfe sächsischen Ursprungs, die als Keimzelle Balves gelten. Der zweite Hof, der „Niederhof“, befand sich im Bereich des heutigen Drostenhauses, wie Historiker vermuten. Der Kirchhof wurde über viele Jahrhunderte als Friedhof der Pfarrgemeinde genutzt. Die Schätzungen gehen auf 50.000 dort beerdigte Menschen. Erst im Jahre 1857 wurde ein neuer Friedhof eingeweiht.

Rund um die Kirche – im „lateinischen Viertel“ – finden sich altehrwürdige Häuser, beginnend beim dominanten katholischen Pfarrhaus (früher „Pastorat“ genannt), über die „Alte Vikarie“ (zeitweilig Altentagesstätte, heute privat genutzt), die „Alte Mädchenschule“ (zeitweilig Balver Heimatmuseum, heute Tagungsstätte des Schützenvereins) und auf der Nordseite der Pfarrkirche das alte Küsterhaus. 

Alte Vikarie

Die Alte Vikarie wurde 1627 erbaut. Sie diente bis ca. 1935 kirchlichen Belangen z.B. Unterbringung der Vikare. Im 2. Weltkrieg und bis ca.1960 wohnen in der Vikarie mehrere Familien. Auch eine Damen-Schneiderei befindet sich in den Räumen. Die Alte Vikarie sollte nach einem Todesfall auf der Bundesstraße in den 70er-Jahren einer verbesserten Verkehrsführung weichen. Diese Zerstörung des Balver Kirchhofs konnte durch die Initiative der Heimwacht verhindert werden. 1974 richtet die Heimwacht in dem Gebäude eine Altentagesstätte ein.1998 verkauft die katholische Kirche das Gebäude an eine Privatperson. Danach wird das Haus als Wohnung bzw. als Büroräume genutzt. Zur Zeit steht es wieder zum Verkauf.

Alte Mädchenschule

Die Alte Mädchenschule, im Jahr 1812 erbaut, wurde über viele Jahre als Mädchenschule genutzt. Da die katholische Kirche keine geeigneten Jugendräume besitzt, wurde das Gebäude ab 1928 als Jugendraum und Gruppenraum, für Kommunionunterrichte und Religionsunterrichte verwendet. Oben in der ersten Etage hat Fräulein Hirschel, eine Lehrerin der Johannesschule, ihre Wohnung.

Im Jahr 1968 wird das Haus umgebaut. In beiden Etagen richtet sich das Balver Heimatmuseum ein. Bereits 1995 verlässt das Museum das Gebäude, 1998 verkauft die katholische Kirche das Gebäude an Dr. Paul Stüeken, der das Gebäude renoviert. In der 1. Etage wird eine Wohnung eingerichtet und unten Parterre entsteht die „Sebastian- Klause“ der Schützenbruderschaft „St. Sebastian“ Balve.

Agatha-Bildstock

Unmittelbar neben dem Kirchturm findet sich der „Agatha-Bildstock“, nach einem schweren Stadtbrand vom damaligen Bürgermeister Ludwig Kramer gestiftet und der Hl. Agatha, Jungfrau, Märtyrerin, Nothelferin und Schutzpatronin der Feuerwehr gewidmet. Über das Alter – 1698 oder 1703 – gehen die Meinungen auseinander, je nach Zählweise der römischen Ziffern im farblich abgesetzten Chronogramm der Stiftungsplatte. 

Krieger-Denkmal

1931 wird das Kriegerdenkmal/Ehrenmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege auf dem Kirchplatz eingeweiht. 1957 erhält das Kriegerdenkmal eine Christusfigur in Mosaik. 1961 bekommt das Kriegerdenkmal das heute noch vorhandene schmiedeeiserne Tor.

Mausoleum – Wocklumer Häuschen

Zwischen Kirche und Pfarrhaus steht seit über 400 Jahren das alte Mausoleum, die Begräbnisstätte der Familie des Landdrosten Henneke-Schüngel. 

St. Blasius-Kirche

Das größte und bedeutendste Balver Bauwerk entwarf 1910/11 der Aachener Dombaumeister Prof. Dr. Josef Buchkremer. Ihm gelang es, die romanische Kirche „verträglich und ansehnlich“ um einen neoklassischen Neubau zu erweitern. Der historisierende Zubau gipfelt in einer gewaltigen ovalen Oktogon-Kuppel. Die überkommenen und zugefügten Teile werden vom Betrachter als eine angenehm harmonierende Einheit empfunden.

Die spätromanische Kirche

Beachtenswert sind neben dem wuchtigen Wehrturm die reliefartigen Giebelfelder der spätromanischen Kirche über den Türen (Tympanons). Sie stammen wie die Fresken der Apsis aus der Erbauungszeit im 13. Jahrhundert. Diese bedeutenden Wandmalereien wurden im Jahr 1914 unter drei Malschichten entdeckt und 1915 – aus heutiger Sicht unfachmännisch – restauriert bzw. übermalt. Die ältesten Bilder sollen Mitte des 13. Jh. entstanden sein, die jüngsten um 1434. In der Apsis der romanischen Kirche scharen sich um den thronenden Christus in einer Mandorla (Heiligenschein) die vier Evangelistensymbole und nahebei Maria und Johannes der Täufer. Die Fensterzonen füllen Prophetenbilder.

Das Epitaph (Gedenktafel mit Inschrift) an der Westwand der Kirche erinnert an den Drosten Hermann von Hatzfeld. Er bekämpfte den Truchsess von Waldburg, Erzamtmann und Kurfürst des Reiches (1530 – 1600). Dieser versuchte vergeblich, in Balve zwangsweise die calvinistische Lehre einzuführen.

Ob das Trutzwort: „Säu faste ärre Balve!“ (So fest wie Balve) in der aufblühenden Zeit der „Truchseßschen Wirren“, während des bismarckschen Kulturkampfes oder aus einem anderen Anlass ein geflügeltes Wort wurde, lässt sich nicht mehr überzeugend belegen.

Innenstadt 3: Haus Bondy und jüdischer Friedhof

Die älteste Nachricht über ortsansässige jüdische Familien im alten Amt Balve findet sich in einem Schriftstück des Pfarrarchivs aus dem Jahr 1700. Es besagt, dass der Jude Isaac Aarons (auch Aaronsjude genannt) dem Rat der Stadt eine Verfügung des Kurfürsten in Erinnerung gebracht habe, die den Schutz der Juden betraf.

Dieser und die nachfolgenden Auszüge zur Geschichte der Balver Juden stammen aus dem Kapitel „Das Judentum in Balve“ von Josef Pütter (in: Grenzland im Wandel der Zeit, p. 118 ff).  

„In einem Ratsprotokoll des Jahres 1718 heißt es: Dem Juden Jakob ist bewilligt, sein verstorbenes Knäblein auf der städtischen Waldemei zu beerdigen, wofür er eine Gebühr von einem Taler gern entrichten will. Augenscheinlich handelt es sich hier um das Gelände des späteren Judenfriedhofes zwischen dem Krankenhaus und der Apotheke, woselbst etwa 25 jüdische Verstorbene aus dem Amte Balve bestattet wurden und jetzt noch sieben Grabsteine mit hebräischen Inschriften vorhanden sind“.

„Um 1770 zog der Jude Samuel Abraham nach Balve. Diese jüdische Familie war jahrzehntelang in Balve ansässig. Sie verlor bei dem Brande 1789 das ihr gehörige Wohnhaus. In einem Bericht über den Stadtbrand heißt es: Als am Abend des 13. Juli die Schützensbrüder den Vogel aufgesetzt hatten, verweilten noch einige ältere Leute in der Wirtsstube bei „Fünkers“ (jetzt W. Conredel). Sie vergnügten sich beim Kartenspiel. Gegen 12:00 Uhr nachts gingen sie heim. Dann gewahrten sie in der Nähe des Rathauses einen hellen Feuerschein und sahen das Haus der „Wirtin Schulte auf dem Ufer“ in hellen Flammen stehen. Der Jude Samuel Abraham lief als erster schnell zur Stadtkapelle und hat die Sturmglocke geläutet. Die übrigen aber eilten nach dem Hause der Wirtin und versuchten dort die Feuersbrunst zu löschen.

Nach 1816 – in der Preußenzeit – setzte infolge der Säkularisation aus den rheinischen und märkischen Gebieten eine stärkere jüdische Zuwanderung in das Sauerland ein. Die Zahl der Juden betrug im Jahre 1839 in Balve 17. Seit 1850 unterhielten die Juden in Balve einen Gebetsraum, der sich in dem Hause Koch, in der Hofstraße, befand. Hier selbst war auch ein kleiner Schulbetrieb eingerichtet, in welchem die Judenkinder, die auch die Volksschule besuchten, die hebräische Sprache erlernten und mit den Talmudbestimmungen bekannt gemacht wurden.

Der Überlieferung nach wurde das »Judenhaus« nahe der Kirche um 1830 erbaut [im Bild das heute verschieferte Haus links]. Es blieb in jüdischem Besitz bis 1930. Dann musste es wegen der Armut des Besitzers gerichtlich versteigert werden“.

Josef Pütter schreibt weiter: „Zu den bekanntesten Persönlichkeiten des Amtes Balve gehört um 1870 der Judenkaufmann Hermann Schüler. Nach dem Tode seiner Eltern verzog er mit seiner Familie nach Bochum. Hier begründete er ein angesehenes Bankhaus. Der in seiner Heimatgemeinde zum Wohlstand gelangte Kaufmann besuchte bis um 1900 alljährlich mit seinen Angehörigen seinen Geburtsort. Hier traf er sich mit seinen alten Freunden und Bekannten und ging auch jedes Mal zum Judenfriedhof, um die Gräber seiner Eltern zu besuchen. Seiner Vaterstadt gegenüber zeigte er sich anhänglich und dankbar und schenkte ihr zugunsten der Armen ein Kapital von 5000 Mark. Die Zinsen dieser Stiftung wurden nach seinem Willen jährlich zu Weihnachten an arme und einsame alte Leute von der Stadt verteilt, gegen die Auflage, die Gräber seiner Eltern gut in Ordnung zu halten. Im Jahre 1992 schenkte er der katholischen Pfarrgemeinde auch die neue Kirchenuhr mit ihren weithin sichtbaren Zifferblättern. In Anerkennung dieser Stiftungen hat dann die Stadt ihren Wohltäter damals zum Ehrenbürger ernannt. In der Stadt bestand zwischen den Konfessionen und den Juden seit jeher eine allgemeine, echte Bürgergemeinschaft. Dieses zeigte sich auch noch im »Dritten Reich«. Seitens der Balver ist dem hier ansässigen letzten jüdischen Kaufmann [David Bondy] kein Leid geschehen. Leider musste die Bevölkerung es traurig und machtlos geschehen lassen, dass auswärtige SA Leute den alten, wohltätigen Mann misshandelten und seine Wohnung demolierten. Einige Zeit danach ist er dann in einem jüdischen Altersheim in Unna, wenn auch verbittert, so doch in Frieden gestorben„.

Soweit die Ausführungen von Josef Pütter. Der Balver „Heimatforscher“ Pütter hat unbestreitbar bedeutende Beiträge zur Geschichte des Balver Landes geleistet. Seine dies betreffenden Ausführungen aus dem Jahr 1965 konnten durch spätere Recherchen jedoch leider nicht bestätigt werden.

So wurde der überaus erfolgreiche und hoch anerkannte Bochumer Bankier Hermann Schüler, dessen Eltern auf dem Balver Judenfriedhof beerdigt sind, nicht zum Ehrenbürger der Stadt Balve ernannt. Er wird auch heute nicht in der Liste der Balver Ehrenbürger geführt. Seine angebliche Balver Ehrenbürgerschaft wurde lediglich in einem Kondolenzschreiben zu seinem Ableben 1926 erwähnt (ohne Absender), worüber eine Bochumer Zeitung berichtete. Über seine „Stiftungen für Balve“ fehlen bislang gesicherte Informationen. Hier besteht Forschungsbedarf. Bekannt ist jedoch die weitere Geschichte der Familie Schüler, die sich wenig von der anderer deutscher Juden im „dritten Reich“ unterschied. Die überaus bedeutende Sammlung avantgardistischer Kunst (Nolde, Liebermann, Jawlensky, Pechstein, Picasso) wurde Ende 1941 von der Gestapo beschlagnahmt, soweit noch vorhanden.

Der Kaufmann David Bondy starb nicht „im Frieden“ in einem Altersheim in Unna, sondern wurde nach Theresienstadt „verlegt“. In einer letzten Grußkarte vom 19.07.1942 konnte er dies noch seinen Nachbarn in Balve berichten.

Zum Gedenken an das Schicksal David Bondys wurde am 07.12.2011 auf Initiative der Klasse 10A2 der Balver Hauptschule ein „Stolperstein“ des Künstlers Günter Demnig aus Bergheim vor dem Haus Bondy in den Bürgersteig eingelassen. Eine Straße in Balve wurde nach David Bondy benannt (zum Thema Stolpersteine vgl. die Rede von Patrick Sensburg im Bundestag vom 23.02.2018).

Weitere Erinnerungen an diese Zeit, etwa die „Reichskristallnacht“ in Balve (09.11.1938), den Umzug David Bondys nach Unna 1940 und die Deportierung 1942, finden sich in den lesenswerten Aufzeichnungen zum 80. Jubiläum des Musikvereins Balve von Joseph B. Lenze: In der Zeit der Bedrängnis (für die Jahre 1938 und 1940).

Der kleine Judenfriedhof mit der Gruft der Familie Schüler und den Grabsteinen der Familie Bondy befindet sich am Dechant-Amecke-Weg unmittelbar vor dem Gesundheitscampus. Er ist offen und kann besucht werden.  

Innenstadt 1: Das Balver Glockenspiel von T. Pröpper

Das Glockenspiel wurde im Jahr 1953 nach Plänen von Theodor Pröpper von der Firma Korfhage & Söhne aus Melle eingerichtet. Mit dem Glockenspiel in der Stadtmitte im damaligen Gebäude der Sparkasse (heute Volksbank), wurde ein würdiger Ersatz für das alte Balver Rathaus geschaffen. Der Neubau von 1950 gehört mittlerweile zum vertrauten Stadtbild.  

Programm des Glockenspiels
(monatlich wechselnd) 

Zwischenzeitlich waren grundlegende Überarbeitungen der technischen Anlage und Änderungen im Repertoire notwendig. Da Glockenspiel und Uhrwerk nach all den Jahren starke Defizite aufwiesen, entschloss sich der Vorstand der Volksbank im Märkischen Kreis, ein elektronisches Steuerungsgerät von der gleichen Firma installieren zu lassen. So verfügt das Glockenspiel seit 2015 über ein Repertoire von ca. 35 Stücken, die viermal täglich dargeboten werden, passend zur Jahreszeit. Aber nicht zur vollen Stunde, sondern jeweils zwei Minuten danach. Begründung: Das Glockenspiel soll die Uhrschläge der Kirchenuhr und deren Glocken möglichst wenig stören. 

Liederzyklus im Jahreslauf

Gewechselt wird jeden Monat. Dazu gehören viele Volkslieder, aber auch Kompositionen von Theodor Pröpper, wie das Balver Lied „Du alte Stadt im grünen Tal…“, oder das plattdeutsche Lied zum Glockenspiel „Un dat Klokkenspiel te Balwe…“. Eine weitere Auswahl seiner plattdeutschen Lieder voller Gefühlstiefe und Heimatliebe findet sich hier.

Hörbeispiel:
Hönnetal, viel Lieder ranken reich um deine Schönheit sich…  von Theodor Pröpper

An der Auswahl der neuen Lieder wurden die Balver Bürger im Rahmen einer Aktion „Spiel mein Lied“ bei der Veranstaltung „Auto & mehr“ des Fachhandels, Verkehrsvereins und Stadtmarketings beteiligt.

Balver Glockenspiel-Lied (Pröpper)

(Übertragung aus dem Balver Platt: Rudolf Rath)
1. Un dat Klockenspiel te Balwe lütt so hell un feyn: 
Kling–klang! Kling-klang!
Lütt am Moargen un am Middag un im Owendscheyn:
Sing–sang! Sing–sang!
Und dat Klockengebiemel es biu Klingen vam Hiemel.
Klin–ge–lin–ge–lin–ge–lang! 
Kling-klang! Kling–klang!

Und das Glockenspiel zu Balve läutet so hell und fein…
Läutet am Morgen und am Mittag und im Abendschein…
Und das Glockengebimmel ist wie Klingen vom Himmel…
Kling-klang! Kling–klang!

2. Un de Klocken klain und klenner un säu klim-per-klain,
Kling-klang! Kling-klang!
biu se blenket, biu se schenket eähren Klang säu rain!
Sing–sang! Sing–sang!
Öäwer allem Gedrängel hänget Klockengesängel.
Klin–ge–lin–ge–lin–ge–lang! 
Kling-klang! Kling–klang! 

Und die Glocken klein, kleiner und so klimperklein, ……
wie sie blinken, wie sie schenken ihren Klang so rein! …
Über allem Gedränge hängen Glockengesänge…

3. Wänn de Klocken singet, klinget van deär Giewelwand,
Kling–klang! Kling-klang!
häuge, daipe, klaine, klenn’-ste, luiet Hand in Hand.
Sing–sang! Sing–sang:
„Hört! – Vey daut ues verdreägen. Uese Klang es en Seägen.“
Klin–ge–lin–ge–lin–ge–lang! 
Kling-klang! Kling–klang! 

Wenn die Glocken singen, klingen von der Giebelwand …
hohe, tiefe, kleine, kleinste, läuten Hand in Hand. …
„Hört! – Wir tun uns vertragen. Unser Klang ist ein Segen“…

4. Alle Luie bleywet stille an deär Strote stohn.
Kling-klang! Kling-klang!
Nümmes weyket, alle keyket, hört dat Klockenslohn,
Sing–sang! Sing–sang!
fanget met an te singen; alle Heärten wellt springen.
Klin–ge–lin–ge–lin–ge–lang! 
Kling-klang! Kling–klang!

Alle Leute bleiben stille an der Straße stehn. …
Niemand weichet, alle schauen, hören das Glockenschlagen, …
fangen mit an zu singen; alle Herzen wolln springen…

5. Jo, dat Klockenspiel te Balwe lütt säu laiv un schoin:
Kling–klang! Kling-klang!
Kümmet häime bai van biuten gruißet hell Getoin. 
Sing–sang! Sing–sang!
Alle Klöckskes daut summen: „Guet, datt häime bis kummen!“
Klin–ge–lin–ge–lin–ge–lang! 
Kling-klang! Kling–klang! 

Ja, das Glockenspiel zu Balve läutet so lieb und schön: …
Kommt (man) heim, schon von weitem grüßt helles Getön. …
Alle Glöckchen tun summen: Gut, dass heim bist gekommen!“…

6. Wänn de Mond am Stärenhiemel seyne Runde hält
Kling–klang! Kling-klang!
un dat Klockenluien silbern op de Deäker fällt,
Sing–sang! Sing–sang!
dräum iek: Engel met Löckskes biu dai spielt met deän Klöckskes.
Klin–ge–lin–ge–lin–ge–lang! 
Kling-klang! Kling–klang!

Wenn der Mond am Sternenhimmel seine Runde hält …
und das Glockenläuten silbern auf die Dächer fällt, …
träum ich: Engel mit Löckchen wie sie spielen mit den Glöckchen…

Plattdeutsche Text- und Notenfassung:
Klingemund – Sauerländisches Liederbuch“ von Theodor Pröpper, Gebr. Zimmermann-Verlag, Balve 1962, S. 43  

Die Mauer an der alten Blasius-Apotheke: Ein Logenplatz für das Glockenspiel und Treffpunkt in der Stadtmitte für Generationen von Balvern.

Innenstadt 2: Das Kaiserliche Postamt

Theo Bönemann schreibt in seinem Buch Post im Sauerland – Eine historische Rückblende: „Eine Cariolpost, die der Personenbeförderung diente, begann im Jahre 1836 ihren Dienst zwischen Balve und Altena. Bis dahin mussten die Balver Bürger gut zu Fuß sein, wenn sie in die Ferne wollten. Erst im Jahre 1841 gab es Verbesserungen durch eine neu eingerichtete Personenpost und eine eigene Posthalterei in Balve. Die Stadt errang im regionalen Postverkehr bald größere Bedeutung. Ein Jahr nach Betriebsbeginn war bereits für drei Postkutschen, sechs Pferde und drei Postillione zu sorgen. Posthalter Essing bediente die Personenposten auf den Linien Balve-Arnsberg, Balve-Altena und Balve-Iserlohn, sowie seit dem Jahr 1848 die anfangs stark benutzte und seit dem Jahr 1850 täglich fahrende zweispännige Personenpost Menden-Balve“ .

Verabschiedung der letzten Postkutsche mit großem Volksaufgebot

Im Jahr 1890 mietete sich das Postamt in das neue repräsentative Gebäude an der Hauptstraße ein. Es war von Sparkassenrendant Heinrich Cramer in spätklassizistischer Manier erbaut worden und wurde zunächst als Fremdkörper in der alten Balver Stadtmitte mit ihrer bäuerlichen Fachwerkstruktur erlebt. Es bot nun genügend Platz für die Dienstzimmer und eine kleine Dienstwohnung.

Mit der Eröffnung der Hönnetalbahn im Jahr 1912 endete das Zeitalter der Postkutschen im Hönnetal. Man freute sich auf die neue Eisenbahn und die bessere Verkehrsverbindung durch das Hönnetal, und trauerte zugleich den alten „romantischen“ Postkutschen nach.

Kaiserliches Postamt. Daneben Haus Lübke (Milchladen etc.)

Post- und Telegrafenamt

Im gleichen Jahr zog die Post um und machte das Gebäude für die Sparkasse frei. Als neues Postgebäude diente das „Post- und Telegrafenamt“ in Wilmes Haus (heute Hauptstraße 33), einem gleichmäßig proportionierten Fachwerkbau mit ortstypischem Walmdach wie die meisten Häuser in Balve. Dieses Fachwerkhaus wurde leider im Jahr 2011 abgerissen. Heute befindet sich an der Stelle ein kleiner Stadtpark.

Blick in das Post- und Telegrafenamt

Über die bauliche Unterbringung zu dieser Zeit findet sich bei Bönemann ein deftiger Leserbrief vom 21. April 1931 aus dem Archiv des Märkischen Kreises, abgedruckt in der „Hönne-Zeitung“ (siehe unten). Noch im Oktober gleichen Jahres erhielt der Bürgermeister die erfreuliche Nachricht, daß das Posthaus in modernster Weise ausgestattet und der Fernsprechdienst automatisiert wurde, damit sich Balve in seinen Posträumen wieder „sehen lassen konnte“.

Ab 1963 fand das Balver Postamt dann seinen neuen Standort am Widukind-Platz, im Anbau zum neuen Rathaus.

Sparkasse Balve

Im Jahr 1912 zog die Sparkasse, seit ihrer Gründung 1881 30 Jahre lang in der Stadtmitte angesiedelt (heute Hauptstr. 21, alte Blasius-Apotheke), in die freigewordenen Räume des Kaiserlichen Postamts ein. Über dem Eingang auf der linken Seite der Fassade wurde das Balver Wappen angebracht, anstelle des früheren „Kaiserlichen Siegels“. Ein massiver Tresor wurde eingebaut. Der umtriebige Erbauer Rendant Heinrich Cramer erlebte noch diesen Umzug. Er übergab die Leitung der Kasse an seinen Sohn (ebenfalls Heinrich) und starb 1913. Die Sparkasse blieb dort bis in die Nachkriegszeit, als Platzprobleme erneut zum Umzug zwangen.

Die Volksbank Balve übernahm schließlich die Geschäftsstelle im Kaiserlichen Postamt. Mit dem Abriss des alten Rathauses in der Stadtmitte im Jahr 1953 war nämlich der Platz für einen Neubau der Sparkasse frei geworden, der dem alten Rathaus stark nachempfunden war und in welchem die Sparkasse bis 1968 residierte.

Dann folgte der Umzug in das heutige moderne Sparkassengebäude, die umgebaute und erweiterte frühere Molkerei an der Hönne. Zum Zweck der Erweiterung wurde die Hönne überbaut. Die Volksbank Balve übernahm nun das Haus mit dem Glockenspiel, in dem sie seitdem ihren Standort hat.

Buchhandlung Waßmuth

Die Räume des leer stehenden „Kaiserlichen Postamts“ gingen 1950 an die angesehene Buchhandlung Waßmuth, an die sich viele Balver gerne erinnern (vgl. Jürgen Waßmuths spannende Romanbiografie seines Vaters Wolfgang: Splitter am Herzen). Ein großes Ausstellungsfenster im Stil der Nachkriegszeit war zur Hauptstraße hin vorgebaut worden, und der Zugang nach rechts verlegt. Wegen des enormen Gewichts verblieb der „begehbare Sparkassentresor“ weiter in den Räumen der Buchhandlung und wurde als „Reisebüro“ genutzt.

1984 erfolgte die Unterschutzstellung des spätklassizistischen Hauses (Eintrag in die Denkmalliste mit Nr. 57). Später wurde das Haus von Wolfgang Waßmuth erworben und im Zuge der Renovierung schließlich auch der Sparkassentresor entfernt.

Café Kaiserliches Postamt

Der Umbau zum Café erfolgte 2006/07 (siehe hier). Die alte Schaufensteranlage wurde durch eine neue ebenerdige Anlage mit verschiebbaren Holzfenstern zur Straße hin ersetzt (barrierefrei), Haustechnik und Dachstuhl wurden erneuert und ein Fahrstuhlschacht realisiert. Die Stuckfassade wurde fachgerecht restauriert und der Schriftzug „Kaiserliches Postamt“ angebracht. Simone und Jürgen Känzler kauften das Ober- und Dachgeschoss von der Arnsberger Betreibergesellschaft, und bauten es für Wohnzwecke aus.

Bei der Neugestaltung des Inventars als Café legte die Bäckerei Sondermann Wert auf Tradition. Mit Unterstützung der Balver Heimwacht (Werner Ahrens) wurden alte Photographien der Balver Hauptstraße und des Gesellschaftslebens aus der Zeit um die Jahrhundertwende aufgespürt und reproduziert, die heute die Räume schmücken. Durch die zu öffnenden Schiebefenster war im Sommer eine weiträumige Öffnung des Cafés zum Bürgersteig hin möglich. Dieser Außenbereich unter den beiden Linden wird von der Bevölkerung gerne angenommen.

Ab 2014 übernahm die ortsansässige Bäckerei Tillmann den Betrieb der beliebten Location im Zentrums Balves. Mit der angeschlossenen Eisdiele verfügt Balve heute über einen attraktiven Treffpunkt, mitten in der City.

Für das Problem der lauten Bundesstraße zeichnet sich inzwischen auch eine Lösung ab (geplante Verlegung der B229).

Hauptstraße. Links das Balver Rathaus. Davor Gaststätte „Sumpf“

Leserbrief vom 21. April 1931

Man braucht sich in Balve über merkwürdige Begebenheiten an der Post durchaus nicht zu wundern. Der einzige Postdienstraum, vielleicht 20 qm groß, sieht aus, als wenn der Postmeister Husemann vor ca. 50 Jahren noch am Leben wäre. Befindet sich doch in diesem Raum der Schalterbetrieb, Verteilung, Annahme, Abfertigung, Paketannahme Verwiegung derselben, Geldschrank, Abstempeltisch. Und was das übelste ist, steht der Apparat zum Abgeben der Telegramme in demselben Raum, so daß das am Schalter wartende Publikum jedes abgegebene Telegramm hört und das Telegramm-Geheimnis dadurch vollständig preisgegeben wird. Die Telefonzelle befindet sich im Schaltervorraum. Auch da kann man bei ruhigem Betrieb ganz gut hören, was gesprochen wird. Pakete mit den verschiedensten Sachen müssen durch den Briefschalter gereicht werden.

Die ganzen Verhältnisse sind so primitiv, daß unser Postamt ruhig in Polen sein könnte, daß die Post mit Pferden bestellt würde und alle acht Tage eine Drucksache unter „persönlich“ einliefe. Es ist noch nicht lange her, daß ein Mitbürer von uns einen Brief per „Einschreiben“ erhielt, der in Balve am 29.November 1929 aufgegeben war und am 5. oder 6. April 1931 den Adressaten erreichte. Die vorhin geschilderten Zustände beweisen, daß den hiesigen Beamten keine Schuld an diesen Vorkommnissen beizumessen ist; sind dieselben doch gezwungen, in diesem Durcheinander tagtäglich zu arbeiten. In unserem Nachbarort Sundern legt die Post ca. hunderttausend Mark an, und in Balve werden die einfachsten Forderungen, die man an einen geregelten Postbetrieb stellt, nicht erfüllt. Es ist erfreulich zu hören, daß unser Artikel weitere Kreise in Bewegung setzt, um die gerügte Mißstände recht bald zu beseitigen“.

Telefonistin im Balver Post- und Telegrafenamt

Bronzetafel zum Stadtbrand

Wer die Mühe nicht scheut, ein paar Schritte rechts in die Bogenstraße zu schlendern, entdeckt dort das Geburtshaus des Komponisten, Kirchenmusikers und Heimatdichters Theodor Pröpper. Schräg gegenüber findet sich ein besonderes Kleinod, das in Balve wenig bekannt ist: Eine Bronzetafel, die den Stadtbrand von 1789 plastisch darstellt. Angebracht ist es am Haus Bogenstraße 3. Diese interessante Tafel aus den 1960er-Jahren findet sich leider an einer ungünstigen Stelle, direkt unter dem Straßenschild „Einbahnstraße“. 

Aus der Nähe betrachtet zeigt die Tafel eine Fülle von Details beim Stadtbrand: Menschen, die Löschwasser aus dem Stadtgraben schöpfen, flüchtende Tiere, rennende Feuerwehrleute mit Brandleitern, eine Menschenkette mit Löscheimern, die lichterloh brennende Stadt.

Bronzetafel zum Stadtbrand in Bogenstr, 3

Der dramatische Brand von 1789 vernichtete das mittelalterliche Balve nahezu vollständig und führte zum Abriss der wehrhafen Stadtmauer und dem planvollen Neuaufbau der Stadt. Die Hauptstraße wurde zum Feuerschutz breit angelegt, wie auf alten Fotos noch gut zu sehen ist.

Innenstadt 6: Die Heiligen Drei Könige in Balve

Im Jahr des Herrn 1794 machten die heiligen drei Könige in Balve Station, und zwar im heutigen Haus drei Könige. Nein, nicht persönlich, aber ihre Reliquien, die im Dom zu Köln verehrt werden. Sie wurden vor dem Ansturm der Franzosen im Kloster Wedinghausen bei Arnsberg in Sicherheit gebracht. Auf diesem Weg passierten die Reliquien Balve. Die kleine Grenzstadt Balve war und ist heute noch Teil des kurkölnischen Sauerlandes, wenn es auch infolge der Kommunalreform nun zum Märkischen Kreis gehört, der früheren feindlichen Grafschaft Mark.

Der nachfolgende Bericht eines Nachfahren des Eigentümers stammt aus dem „Balver Buch“ von 1930 (p. 243 ff). 

EIN SELTSAMES, DOCH GESCHICHTLICH BEGLAUBIGTES EREIGNIS. NACHERZÄHLT VON FORSTMEISTER ENGELBERT GLASMACHER

Im fünften Jahre der großen französischen Revolution hatten sich Österreich, Preußen und Sardinien zum Kriege gegen Frankreich zusammengeschlossen. Nach anfänglichen Siegen dieser »großen Koalition« neigte sich jedoch bald der Erfolg auf die Seite Frankreichs, das dann umso weiter und schneller gegen den Rhein vorrückte, als ein Teil der deutschen Bevölkerung – von neuen Freiheitsdrang berauscht – den französischen Siegern sehr entgegen kam.

Am 30. September 1794, einige Tage vor dem Einmarsch der Franzosen in Köln, nahm das Domkapitel darauf Bedacht, die Schätze des Domes in Sicherheit zu bringen. Man beschloss, den Reliquienschrein mit den Heiligen Drei Königen nach Wedinghausen (= Kloster bei Arnsberg) zu schaffen, wohin auch das Domkapitel flüchtete. Über den Transport wird folgendes erzählt: Der Allendorfer Fuhrherr Simons vermittelte einen lebhaften Handelsverkehr zwischen dem Sauerlande und den rheinischen Städten. Einst, als sein Knecht wieder mit sechs oder sieben Wagen in Köln war, wurde derselbe von einem unbekannten Herren aus der Wirtschaft gerufen und gebeten, nachts um 2 Uhr zu einem wichtigen Transporte an der Schiffsbrücke mit zwei Wagen zu halten. Zur genannten Zeit erschien der Unbekannte, ein Domherr mit Leuten, die den heiligen Schrein trugen. Jetzt wurde der Knecht eingeweiht und zu strengstem Schweigen und größter Vorsicht verpflichtet. Noch hatte er die Mitte der Schiffsbrücke nicht erreicht, als bereits französische Kugeln an seinem Kopfe vorbeipfiffen. Eilends hieb er auf die Pferde ein und erreichte glücklich Deutz. Nun verlief die Fahrt ohne Störungen, und nach einigen Tagen langte das Fuhrwerk vor Wedinghausen (Arnsberg) an. Der Abt lohnte den Knecht, indem er ihm so viele Krontaler in den aufgehaltenen blauen Kittel warf, als er tragen konnte.

Der Aufbewahrungsort der heiligen Reliquien war niemand bekannt als dem Generalvikar von Caspers, der den kostbaren Schatz mit treuer Sorgfalt hütete.« (Darstellung nach Dr. Höynck, Féaux des Lacroix, Geschichte Arnsbergs).

Inzwischen waren am Rhein wieder geordnete Verhältnisse eingetreten, und Köln sehnte sich nach der Rückkehr seiner Domschätze. Diese wurde Ende 1803 seitens des Domkapitels beschlossen. Wiederum wurde bei der Ausführung des Transportes der Allendorfer Fuhrherr in Anspruch genommen. Der erste Reisetag, der 11. Dezember, brachte die Schätze mit ihrer geistlichen Begleitung bis Balve, wo diese zum Übernachten im Gasthause des Bürgermeisters Johann Heinrich Glasmacher einkehrte. In dem Hause pflegten damals die Durchreisenden Kaufleute zu verkehren, die zu jener Zeit noch mit ihren Waren die unsicheren Wege durch die Flusstäler meidend, die obwohl steilen und steinigen, aber festeren Höhenwege bevorzugten und damit auch in das sonst abgelegene Balve gelangten. Wissbegierig, wie es nun mal einem Gastwirt – und dazu noch Bürgermeister – eigen ist, hatte der Hausherr bald das Ungewöhnliche seiner Reisegäste erkannt, und ruhte nicht, bis er auf etlichen Umwegen die hohe Bedeutung dieses Transportes und seine Kostbarkeit herausgefunden hatte. Dann aber, als bekannter Freund von Bibelsprüchen, brach er in den Ruf aus: »Heute ist meinem Hause Heil widerfahren!«. Und schon fingen die Balver Kirchenglocken »von selbst« an zu läuten. Das Geheimnis der hohen Gäste war natürlich nicht länger zu bewahren. Zahlreiche Bewohner Balves fanden sich bald ein, um den auf dem oberen Saale für die Nacht untergebrachten Reliquien der Heiligen Drei Könige sowie des heiligen Gregor, Spoletan, Felix und Nabor ihre Verehrung in rührendster Weise zum Ausdruck zu bringen. Zur dankbaren Erinnerung daran erhielt der Bürgermeister später von Köln einen an diese Reliquien angerührtes Bild mit reichen Segenssprüchen.

In Köln wurden die Reliquien unter unbeschreiblichem Jubel der Bevölkerung an ihre vormalige Ruhestätte übertragen. Der kunstvolle Reliquienschrein war jedoch in mehrere Teile zerlegt von Wedinghausen nach Frankfurt geflüchtet worden, von wo er erst später arg beschädigt nach Köln zurück gelangte.